Die Trauer der Gondeln

9.9.2014, 14:33 Uhr
Die Trauer der Gondeln

© Foto: Mark Johnston

Venedig ist längst zu Tode fotografiert. Sollte man meinen. Es gibt die Postkartenansichten von Sommer, Sonne und Farbe. Es gibt den Karneval mit seinen Capes und Masken. Und es gibt die winterliche Morbidezza, wie man sie aus unvergesslichen Filmen wie „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ kennt.

Der Fotograf Reinhardt Lehmeier (66) ist erklärter Venedig-Fan. Und er hat sich ganz der Morbidezza verschrieben. Natürlich bietet die Kulisse alles, was es braucht: bröckelnde Fassaden, verwaschenen Putz, blank liegendes Mauerwerk, rostige Armaturen, Licht und Schatten. Doch Lehmeier geht noch einen Schritt weiter.

Als gelernter Schauwerkgestalter und autodidaktischer Fotograf weiß er, wie man vorgefundene Dinge ins rechte Licht rückt. „Das heißt: in Allerherrgottsfrühe aufstehen, wenn das Licht noch zart ist und keine Touristen unterwegs sind“, verrät der Lichtkünstler. „Oder am Spätnachmittag fotografieren, dann herrscht auch die richtige Stimmung. “

So entstehen atmosphärisch dichte, geradezu geisterhafte Aufnahmen von Palazzo-Fronten, mal frontal, mal schräg in die Raumtiefe fotografiert; zerknautschte weiße Vorhänge, die plastisch wie Gips wirken; oder Aufnahmen von Gondeln in einer Werft, die wie gestrandete Fische auf der Seite liegen.

Was nicht passt, wird passend gemacht. Reinhardt Lehmeier bekennt sich zur Bildbearbeitung am Fotoshop, spielt mit Helligkeitswerten und Kontrasten und betont diverse Farben oder lässt dafür andere Farben verblassen. So entstehen Aufnahmen eines betont künstlichen Venedigs, einer Geisterstadt, die sich in Grade der Ruinösität gesteigert hat, dass eine Rettung ausgeschlossen erscheint. Was im Großen funktioniert, das klappt bei Lehmeier auch mit den kleinen Dingen. Eine schwarzgesprenkelte Banane etwa gewinnt ein grafisches Eigenleben, ein Wasserhahn speit Feuer, und ein funkensprühendes Motorrad erweist sich erst beim dritten Hinsehen als Spielzeugmodell im Studio. Der weiße Qualm steigt aus einem Quader Trockeneis auf, die Funken stieben aus einer Silvester-Wunderkerze im Auspuff.

„Sichtweise“: Mann’s Art Stage, Hindenburgstraße 39, Langenzenn. Mittwochs und samstags 10—12 Uhr, donnerstags auch 14—17 Uhr, freitags 10—13 Uhr.

Keine Kommentare