Bundestagswahl

Die Wahlpartys von CSU, SPD und Grünen: Dreifach gemischte Gefühle

26.9.2021, 23:14 Uhr
Die Wahlpartys von CSU, SPD und Grünen: Dreifach gemischte Gefühle

© Foto: Tim Händel

Applaus, der irgendwie nach Begeisterung und irgendwie doch nach Durchhalten klingt. 18.01 Uhr, herrje, muss es wirklich eine so knappe Kiste werden? 100 Genossinnen und Genossen in der Max-Seidel-Begegnungsstätte sind entschlossen, zwischen Grillwurst und Kartoffelsalat aus dem Häuschen zu geraten.

Doch es muss erst ein Ruck durch den mit SPD-Luftballons geschmückten Saal und den mit Biergarnituren versehenen Hof gehen. Für den sorgt Fürths SPD-Chef Matthias Dornhuber, als er nach den ersten Zahlen von einem "Abend der uneingeschränkten Freude" spricht. Das ist, nun ja, mindestens mutig. Auf der Großleinwand läuft das Erste. Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Union.

Ein Sieger der eher tiefenentspannten Sorte ist Carsten Träger. Während Ehefrau Claudia hibbelig die Finger knetet, als die neuen Prognosen eintreffen, spricht der Fürther MdB, dem ein dritter Platz auf der Landesliste den schrammenfreien Wiedereinzug in den Bundestag ermöglicht, vom Rückenwind, "der ausnahmsweise auch mal aus Berlin kam".

"Wir waren die einzige Partei, die versucht hat, in diesem Wahlkampf mit Inhalten zu punkten." Olaf Scholz sei ein akribischer Arbeiter, er werde die Koalititonsverhandlungen gut führen. Träger: "Acht Jahre Union habe ich jetzt in den Knochen. Ich hab’ keine Lust mehr auf die." Ab Montag beginne die Arbeit, als umweltpolitischer Sprecher seiner Partei gehe er davon aus, bei den Verhandlungen mitzumischen.

Die ersten Hochrechnungen nehmen die Christsozialen, die sich im rustikalen Ambiente "beim Fischhaber" im "Weißen Lamm" in Roßtal getroffen haben, überraschend gelassen. 25 Prozent für die CDU/CSU im Bund – Tobias Winkler, der CSU-Direktkandidat im Wahlkreis Fürth, ist kurz nach 18 Uhr trotzdem guter Dinge. "Im Vergleich zu dem, was noch vor zehn, zwölf Tagen im Raum stand, sind die 25 Prozent doch noch ganz akzeptabel", findet er. Applaus gibt es für das historisch niedrige CSU-Ergebnis in Bayern: 33 Prozent, man ist bescheiden geworden.

Dass es für Rot-Rot-Grün im Bund nicht reichen wird, goutiert die Runde mit Jubel. Winklers Präferenz liegt angesichts des Kopf-an-Kopf-Rennens bei einer Jamaika- Koalition, denkbar sei freilich auch eine Ampel, an die Wiederauflage einer Groko glaubt er "eher nicht".

Als klar ist, dass er das Direktmandat hat, verkündet er "den Aufbruch; wir haben hohe Erwartungen geweckt, jetzt müssen wir richtig loslegen". Dass er in Fürth knapp hinter Carsten Träger liegt, hat er erwartet. "Zwei, drei Punkte zurück, das ist absolut im Rahmen gegen einen Amtsinhaber." Das heiße ja nicht, "dass ich beim nächsten Mal in Fürth nicht auch besser abschneide".

Als Nachrücker für den kurzfristig abgesprungenen Christian Schmidt hatte er gerade 100 Tage, um sich bekannt zu machen. "Mehr war in Fürth in der Kürze der Zeit nicht drin." Aber in den Landkreisen Fürth und Neustadt/Aisch setzt sich Winkler schnell an die Spitze.

"Er hat einen klaren Sieg eingefahren, der ist ihm nicht mehr zu nehmen", freut sich Landrat Matthias Dießl. "Bundesweit dagegen wird es sehr spannend und wohl sehr spät heute Nacht, bis wir klarer sehen."

Christian Schmidt überreicht seinem Nachfolger einen Staffelstab für "zukünftige Zeiten in Berlin" und sichert ihm seine vollste Unterstützung zu. Den Abend versüßen den Wahlkämpfern die Damen von der Frauen-Union Seukendorf: Sie bringen einen Nusskuchen mit Konterfei des Direktkandidaten und seines Vorgängers in blau-weißem Design vorbei.

Egal, wann an diesem Wahlabend: Grünen-Direktkandidat Uwe Kekeritz (67) wirkt entspannt. Gerade balanciert er in der Kofferfabrik in Strümpfen auf einem Tisch, in der Hand den Zipfel eines Plakats, das noch rasch an die Wand zu hängen ist. Die Frotzeleien der Parteifreunde lächelt er weg: "Stürz nicht ab, Uwe!"

Es erscheinen die ersten Hochrechnungen: Union und SPD gleichauf, die Grünen: 15 Prozent. Historischer Höchststand, doch weniger als erhofft. Rund 60 Anwesende nehmen es fast schweigend zur Kenntnis.

Es wird ein spannender Wahlabend, aber auch ein Abend gemischter Gefühle. Man sei ja angetreten in dem Bewusstsein "Wann, wenn nicht jetzt?", sagt Kamran Salimi, Fraktionschef im Stadtrat. "Wir hatten es in der Hand, haben es aber auf den letzten Metern verkackt." Kanzlerkandidatin Baerbock wirft er die Pannen um Nebeneinkünfte oder den geschönten Lebenslauf "weniger vor als dem Team im Hintergrund". Gemessen an der Verantwortung, die SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz beim Thema Wirecard trage, so Florian Braunreuther, sei lächerlich, was ihr angekreidet wird.

Auch Kekeritz, der nicht weiß, ob er im Bundestag bleiben wird, spricht von "geschönten Lappalien". Schuld daran, dass die Grünen nicht noch mehr Wähler für sich gewinnen konnten, sei die "Rote-Socken-Kampagne gegen SPD und Grüne".

Es herrscht Ernüchterung in der "Koffer", schon auch Freude. In jedem Fall aber wird Kampfgeist demonstriert. "Wir werden unsere gesamte Kraft und Energie in die Koalitionsverhandlungen stecken, denn Klimaschutz ist die Überschrift für alles", verkündet Landtagsabgeordnete Barbara Fuchs. "Es ist nix verloren", stellt Salimi klar. Und Uwe Kekeritz räumt zwar ein: "Unsere Zukunftspolitik wird schwierig umzusetzen sein." Doch müsse man nun eben in der neuen Regierung grüne Positionen durchsetzen. Winkend verabschiedet er sich von der einen Wahlparty und fährt - mit dem E-Auto – zur nächsten. Nach Bad Windsheim, ins Café Utopia.

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