E wie Erdmann

11.8.2012, 13:00 Uhr
E wie Erdmann

© De Geare

Schon der erste Mensch hatte einen Namen. Gott schuf Adam, so steht es in der Schöpfungsgeschichte geschrieben. Adam vom Hebräischen ha adam — was so viel bedeutet wie „den Menschen“. Und so menschlich möchte Klaus Erdmann die Bedeutung von Namen in der Religion auch verstehen. Er fragt: „Wo kommt der Mensch vor?“ Und findet die schönste Passage beim Propheten Jesaja 43, als Gott zu Jakob spricht: „Fürchte dich nicht, denn ich habe ich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein.“

Ein Satz, so wuchtig, dass er ein Menschenleben wie eine Klammer von Anfang bis Ende umschließen kann — und der vielleicht auch deshalb als Taufspruch sehr beliebt ist. Die Taufe ist die erste Begegnung mit dem Glauben und eines der wenigen religiösen Rituale der Protestanten, findet der Pfarrer, „wo man etwas sieht und spürt“. Ein sehr emotionaler Moment zudem.

In der überschaubaren Wilhelm-Löhe-Kirche in Ronhof, wo Klaus Erdmann vor zwölf Jahren seine erste Pfarrstelle antrat, hebt er dann den schweren Deckel vom Taufstein und dreht ihn um. Über dieses Becken halten die Eltern ihr Kind, Mutter oder Vater dürfen das angewärmte Taufwasser aus der schlichten Kanne gießen, während der Pfarrer spricht. „Markus, ich taufe dich...“

Hat dieses Benennen auch mit Macht zu tun? Klaus Erdmann überlegt und schüttelt dann den Kopf. Mehr mit Vertrauen und damit, dass sich Menschen auf Gott einlassen: „Gott lässt sich sein Heilsgeschehen nicht aus der Hand nehmen.“

Dabei ist in den biblischen Erzählungen die Namensgebung immer etwas Besonderes. Abraham heißt ursprünglich Abram, erst mit dem Segen, den Gott seinen Nachkommen verspricht, wird er zu Abra-ham, dem Vater der Völker Israel. Und als der Engel Gabriel der Jungfrau Maria verkündet, dass sie ein Kind erwartet, befiehlt er: „Du sollst deinen Sohn Jesus nennen.“

Zeichen eines inneren Wandels

Die Fürther Kinder von heute tragen schon einen Namen, wenn sie getauft werden. Exotische Vornamen sind selten, berichtet Pfarrer Erdmann. Und wenn einer doch komisch klingt? Der 47-Jährige muss lachen: „Gott nimmt einen vorbehaltlos an.“

Der Name ist wieder Thema, wenn Menschen kirchlich heiraten wollen. Im Traugespräch fragt Klaus Erdmann stets, wie sich die Paare entscheiden. Verstärkt würden die Frauen wieder den Namen des Mannes annehmen, ganz traditionell. Der Grund: Die Ehepaare wollen eins sein und mit dem Familiennamen Eindeutigkeit schaffen. „Manche freuen sich darauf, andere lächeln, weil es schwer ist, sich an den neuen Namen zu gewöhnen.“

Der Namenswechsel als äußeres Zeichen eines inneren Wandels, das wird besonders deutlich bei Saulus. Der griechisch gebildete Jude und gesetzestreue Pharisäer verfolgte die frühen Christen, bis er selbst eine Begegnung mit dem wiederauferstandenen Christus hatte. Er ließ sich daraufhin Paulus taufen und reiste fortan als Missionar um das östliche Mittelmeer, gründete mehrere Gemeinden und schrieb viele Briefe. Er trug, wie die Apostel, den Namen Gottes in die Welt.

Der Name Gottes, Jahwe, kommt im Alten Testament mehr als 6800-mal vor — ausgeschrieben wird er nicht. Lautet doch das zweite Gebot: „Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen.“ Anders, wenn in den Psalmen sein Name gepriesen und im Hohelied Salomos sogar von ihm geschwärmt wird.

Und in der Glaubenspraxis? Zählt der Name der Gläubigen. „Wenn ich auf einem fremden Flughafen bin oder neu auf einer Party, und jemand ruft mich mit Namen — dann weiß ich, jemand kennt mich, ich bin nicht allein“, sagt Klaus Erdmann. So sei es in der Kirche auch.

„Gott ist nicht fern, er ist ein persönliches Gegenüber.“ Dazu gehört das liturgische Du, mit dem er die Täuflinge anspricht und Ehepaare und auch die, die er zu Grabe trägt. Alle sind Brüder und Schwestern in Christo — und begegnen einander auf Augenhöhe.

In diesen Schwellensituationen des Lebens, weiß der Pfarrer, registrieren Menschen das Geschehen wie Seismographen. Ein schiefer Ton, ein falsches Wort kann erschüttern. Dass bei einer Trauerfeier der Name verwechselt oder das falsche Alter genannt wird, das soll und darf nicht passieren.

Auch nicht an Tagen, an denen Klaus Erdmann drei Beerdigungen hat und obwohl er die Verstorbenen oft nicht persönlich kennt. Aus den Erzählungen der Angehörigen entwickelt er eine Biografie, die die Person erkennbar darstellt — ohne sie bloßzustellen. Ihr Name spielt noch einmal am Ewigkeitssonntag eine große Rolle, wenn die Verstorbenen des zurückliegenden Jahres namentlich genannt werden und jedem in seiner Einmaligkeit gedacht wird.

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