Ehrgeizige Pläne: Fürth soll eine «Neue Mitte» bekommen

10.7.2008, 00:00 Uhr
Ehrgeizige Pläne: Fürth soll eine «Neue Mitte» bekommen

© Ralf Rödel

Was schier unglaublich klingt, ist so weit gediehen, dass der Stadtrat bereits in seiner Sitzung am 30. Juli einen Grundsatzbeschluss fällen wird, wie unsere Zeitung erfuhr. Ab Ende 2009 könnte gebaut, Ende 2011 die Eröffnung gefeiert werden. Am Montag wird das Mammut-Vorhaben in einer Pressekonferenz präsentiert. Auf Anfrage der FN legte Fürths Wirtschaftsreferent Horst Müller vorab einige Karten auf den Tisch.

Dass es sich um einen Bluff handeln könnte, schließt Müller aus, er spricht von einer «Realisierungswahrscheinlichkeit» von 90 Prozent; die Investoren hätten 80 Prozent der Verträge in der Tasche und schon einige Millionen Euro hier investiert. Auch Oberbürgermeister Thomas Jung sieht «keinen vernünftigen Grund mehr für Bedenken», wie er den Fürther Nachrichten sagte. Was beide so zuversichtlich stimmt, ist zum einen der Investor, die portugiesische Gruppe «Sonae Sierra» - europaweit die Nummer zwei, wenn es um Bau und Betrieb großer Einkaufszentren geht.

48 davon in sieben Ländern nennt Sonae Sierra ihr Eigen, 13 sind im Bau, 15 in Planung, darunter auch jenes in Fürth. Jüngst wurde am Berliner Alexanderplatz das «Alexa» im Art-Deco-Stil eröffnet. Markenzeichen der Portugiesen: Keiner der Einkaufstempel gleicht einem anderen, begeistert sich Müller, jeder habe ein eigenes Motto. Für Fürth im Gespräch: der «Adler» und die Eisenbahngeschichte.

Was Müller, der zugibt, vorher noch nicht von den Portugiesen gehört zu haben, besonders überzeugt: «Sie bauen die Zentren nicht nur, sie betreiben sie auch.» Und: «Sie haben noch kein einziges verkauft, das sind keine Heuschrecken.» Finanziell sei das Fürther Projekt, das einen dreistelligen Millionenbetrag verschlingen würde, für die Investoren kein zu großer Kraftakt, denn dahinter stehe der Mutterkonzern Sonae - laut Müller größter Arbeitgeber in Portugal, bedeutendster Mobilfunk-Betreiber des Landes und weltmarktbeherrschend bei der Spanplattenproduktion.

Dass sich ein derart großer Fisch ausgerechnet nach Fürth verirrt - nicht einmal der Rathauschef mochte es glauben, als vor anderthalb Jahren erste Kontakte geknüpft wurden. «Ich habe das damals nicht ernst genommen», gibt Jung zu. Inzwischen ist es ihm so ernst damit, dass er das Projekt – bezeichnender Arbeitstitel: «Neue Mitte» - sogar aus dem Kommunalwahlkampf heraushielt, um ja nichts zu gefährden. «Das ist eine Möglichkeit, die eine Generation nur einmal hat», schwärmt Jung.

Dass man sie keinesfalls vorüberziehen lassen darf, steht für ihn fest. Horst Müller schlägt in dieselbe Kerbe: «Es ist die letzte Chance, dass wir als Einkaufsstadt mitspielen können», sagt er mit Blick auf die modernen Zentren in Erlangen («Arcaden») und Nürnberg («Mercado» und andere). Man könne auf diese Weise Kundschaft zurückgewinnen, die heute in Nachbarstädte ausweicht.

Einige Tücken

Und warum nun ausgerechnet Fürth? Müllers Antwort ist erstaunlich simpel: Die Portugiesen hätten in einer Marktanalyse deutsche Städte mit über 100 000 Einwohnern prüfen lassen. Fürth sei hinsichtlich Kaufkraft, Bevölkerungsentwicklung und Einzelhandelsdefiziten auf einem vorderen Platz gelandet. In vielen Sektoren gebe es eine Unterversorgung, vor allem auf dem der Bekleidung.

Weder der Wirtschaftreferent noch der OB übersehen freilich die Tücken, die mit dem Bau einhergehen. So müssten das stadtbildprägende Park-Hotel und drei denkmalgeschützte Gebäude an der Breitscheidstraße (nicht aber die frühere Hypo-Bank) weichen: Unter dem Einkaufstempel mit einem Unter- und zwei Obergeschossen sowie unter der Freiheit entstünde eine Tiefgarage für 580 Autos; ein ganzer Straßenzug würde zum Hauptweg des Zentrums gemacht. Drei verglaste Zugänge, zwei inmitten der heutigen Breitscheidstraße, einer in der Hallstraße sind vorgesehen, zwei Abzweigungen führen bogenförmig ins Wölfel-Areal, aus dem das Kinocenter verschwindet. Ein neues Kino mit vier Sälen soll im zweiten Stock des Gebäudes Platz finden, das an Stelle des Park-Hotels hochgezogen wird.

Offen und luftig soll alles wirken. Damit werde verhindert, dass das neue Zentrum «wie ein Staubsauger» auf den Rest der Innenstadt wirkt, so Müller. Die größten Sorgen aber, dessen ist er sich bewusst, wird die «Neue Mitte» dem alteingesessenen und angeschlagenen City-Center machen, das gleich um die Ecke liegt. Es beherbergt ebenfalls rund 80 Geschäfte und hat mit 25 000 Quadratmetern etwa so viel Verkaufsfläche wie die geplante Konkurrenz. Doch kaum einer glaubt, dass es daneben in der jetzigen Form dauerhaft bestehen könnte.

Deshalb, sagt Müller, laufen Verhandlungen: darüber, dass die Portugiesen das 23 Jahre alte City-Center ebenfalls übernehmen, dessen komplexe Eigentümerstruktur bereinigen und es aufpäppeln. Aus eigener Kraft, glaubt Müller, könne es das City-Center nur schwer schaffen - ob mit oder ohne Konkurrenz. (Wie reagieren Einzelhandel, Politik und Bürger auf die hochfliegenden Pläne? Mehr dazu in der morgigen Ausgabe der FN)