Ein Musterschüler mit Autorität

26.1.2008, 00:00 Uhr
Ein Musterschüler mit Autorität

© Leberzammer

Viele Freunde haben den Taekwondo-Sport mit ihm begonnen, viele haben früher oder später wieder damit aufgehört. Dilan Ahmad ist dabeigeblieben und hat mittlerweile den 2. Dan. «In diesem Alter ist das sehr ungewöhnlich», findet Lisa Rucker, seine Trainerin bei der Kampfsportgemeinschaft 04 in Fürth.

Vor einem Jahr sah es noch gar nicht danach aus. Dilans Familie, irakische Kurden, die 1997 nach Deutschland geflohen war, sollte in das vom Krieg zerrüttete Land abgeschoben werden. So wollte es das bayerische Innenministerium. Nur dank eines in Kiel gemeldeten zweiten Wohnsitzes konnten Dilan, seine Eltern und seine drei Geschwister dorthin ziehen und entgingen somit fürs Erste der Ausweisung. Es dauerte weitere drei Monate, bis sie in Schleswig-Holstein eine Duldung erreichten. Zwischen Hoffen und Bangen musste sich der Jugendliche auch noch auf seinen Hauptschulabschluss vorbereiten.

Mittlerweile ist Dilan wieder zurück in Franken. Bald wird er auch einen deutschen Pass bekommen. Würde man nach einem Musterbeispiel für gelungene Integration suchen, Ahmad gäbe eines ab. Er hat in Nürnberg eine Lehrstelle als Anlagenmechaniker gefunden und gibt seit 2005 Taekwondo-Unterricht für Sechs- bis Neunjährige. Er raucht nicht, er trinkt nicht, mit 18 will er seinen Übungsleiterschein machen. «Er hat Talent, wahnsinnigen Ehrgeiz, und er ist absolut zuverlässig und überpünktlich», schwärmt Rucker. Der 17-Jährige strahle so viel Respekt und Autorität aus, dass er von Eltern und Kindern gleichermaßen geschätzt werde, so die KSG-Vorsitzende.

Auf der Kippe

Dilan musste schon früh erwachsen werden. Im Irak war sein Vater mehrere Male im Gefängnis - weil er Kurde war. Mit gerade einmal sechs Jahren kam Dilan in ein fremdes Land, dessen Sprache er nicht kannte. Der Junge ließ sich anfangs nichts sagen, das Misstrauen Fremden gegenüber saß zu tief. «Er stand auf der Kippe», erinnert sich die Trainerin.

Dann fand er Halt im Taekwondo. «Ich habe schon als Kind gerne Bruce-Lee-Filme angesehen», sagt Dilan und versucht dabei nicht zu lächeln, um seine Zahnspange zu verbergen, «das habe ich immer nachmachen wollen.» Bald feierte er erste Erfolge, seinen Trainingsplan verfolgte er mit perfektionistischem Eifer. Mit Mittelmaß gibt er sich nicht zufrieden. «Vielleicht mal Europameister werden», lautet eines seiner Ziele.

Bayerischer Meister im Synchron-Taekwondo war er bereits. In drei Jahren - früher lassen es die strengen Regeln dieser Sportart nicht zu - soll der 3. Dan folgen. Die Prüfungen haben es in sich: Im Dezember musste Dilan in München vor vier koreanischen Großmeistern über drei Stunden Grundkicks und Steppübungen vorführen. «Das ist konditionell wahnsinnig anstrengend, weil es im Prinzip ohne Pause abläuft», weiß Lisa Rucker aus eigener Erfahrung, denn die Haupttrainerin der KSG 04 hat schon den 3. Dan erreicht. «Die wollen sehen, dass man sich quält.»

Auf ihren Schützling hält sie große Stücke und glaubt, noch einiges erwarten zu können. Gerade in der Pubertät würden sich ja viele mehr für Mädchen interessieren und ihre Hobbys vernachlässigen oder ganz aufgeben. «Dilans Freundinnen kommen und gehen, aber beim Taekwondo bleibt er», freut sich Rucker. Die Schinderei soll sich auszahlen, am besten schon in diesem Jahr, wenn im Juni und September erst die deutsche und dann die europäische Meisterschaft auf dem Programm stehen. Dazu werden ihm neben Lisa Rucker die Daumen sicher auch die übrigen 135 Mitglieder der KSG 04 die Daumen drücken.