"Eisenfresser" Schrott holt den neunten WM-Titel

30.11.2019, 11:15 Uhr

© Burghardt

Aus den Lautsprecherboxen im Kraftraum des TSV Altenberg dröhnt laute Musik der Band Rammstein. Michael Schrott hat beide Hände schon an der Hantel, die auf Schulterhöhe in einem Gestell liegt. Zwei Mal schnell Durchatmen, dann taucht der 120-Kilo-Mann mit dem Kopf unter die Stange, packt sie sich in den Nacken und macht damit ein paar Kniebeugen. Die 150 Kilogramm Eisen, die dabei auf seinen Schultern lasten, sind für den gebürtigen Fürther aber nicht mehr als ein Trainingsgewicht. Wenn es darauf ankommt, schafft Schrott mehr als das Doppelte.

So geschehen vor wenigen Wochen bei der Kraftdreikampf-Weltmeisterschaft des Verbands WPC im finnischen Lahti. Bei den Männern bis 140 Kilogramm – gemeint ist hier das Körpergewicht der Athleten – brachte der 47-Jährige in seiner Altersklasse beim Kniebeugen 307,5 Kilogramm in die Höhe. Damit markierte er einen neuen Weltrekord. Auch in den beiden anderen Disziplinen lieferte Schrott ab: Beim Bankdrücken schaffte er 200 Kilogramm, beim Kreuzheben 292,5 und damit eine Gesamtlast von 800 Kilogramm. „Die 800 sind so ein Meilenstein. Wie wenn man beim 100-Meter-Lauf unter zehn Sekunden bleibt“, erklärt Schrott. Mit diesem Meilenstein machte er seinen neunten Weltmeistertitel perfekt.

Im Vergleich aller 650 WM-Teilnehmer kam der in Veitsbronn lebende Athlet auf den neunten Platz. Bei dieser Rangliste kommen Faktoren zum Einsatz, um die Leistungen der Sportler auch über Alters- und Gewichtsklassen hinweg miteinander vergleichen zu können. Doch wie schafft man es, über so lange Zeit der Weltspitze anzugehören? Schließlich ist Schrott schon seit über 20 Jahren im Kraftdreikampf aktiv.
„Meine Trainingsmethoden klingen jetzt erst mal nicht besonders ausgefallen“, meint er schmunzelnd. Montags, mittwochs und freitags ist er im Kraftraum seines Vereins anzutreffen. An jedem der Tage wird nur eine der drei Disziplinen trainiert. Allerdings in verschiedenen Ausführungen, zum Beispiel mit veränderter Handhaltung. Extrem wichtig sind außerdem starke Bauchmuskeln. Doch Schrott macht keine Situps, wie man es vielleicht aus den Werbe-Videos von Fitnessstudios kennt. „Ich gehe in den Unterarmstütz, auch als Plank bekannt, packe mir 150 Kilogramm auf den Rücken und halte das für 30 Sekunden“, erklärt er. Damit trainiert er die Zeitspanne und Belastung, die er auch beim Wettkampf zum Stützen der schweren Gewichte benötigt.

Ohne Bandagen

Hilfsmittel sind bei der WM übrigens nicht erlaubt. Wie Schrott erzählt, trugen früher alle Kraftdreikämpfer Bandagen. Die waren so fest gebunden, dass man seine Knie aus eigener Kraft gar nicht beugen konnte. Erst wenn hunderte Kilo auf den Schultern lasteten, ging es nach unten und durch den Druck der Bandagen leichter wieder nach oben. Auch der Altenberger schaffte damals auf diese Weise über 400 Kilogramm.
Die Vorbereitungsphase für die Weltmeisterschaft einmal im Jahr dauert für Schrott etwa vier Monate. Dabei wird das Gewicht seiner Übungen langsam erhöht, die Anzahl der Wiederholungen sinkt. Wenn er nahe an seine Höchstleistung geht, helfen ihm die Mitglieder seiner vier- bis achtköpfigen Trainingsgruppe. Der mehrfache Weltmeister wiederum unterstützt seine Vereinskameraden auch bei deren Wettkämpfen, etwa den bayerischen oder deutschen Meisterschaften.

Laut Schrotts Einschätzung befindet sich die Kraftdreikampf-Szene seit ein paar Jahren wieder im Wachstum. Das liege auch daran, dass Frauen für ihre Fitness vermehrt zu Hanteln greifen. Auch aus der boomenden Crossfit-Szene, bei der moderne Kraftübungen mit mehr Wiederholungen im Mittelpunkt stehen, ist der Weg zum Kraftdreikampf nicht weit.
Wie bei jedem Leistungssport spielt auch beim Kraftdreikampf die Ernährung eine wichtige Rolle, um dauerhaft oben mitzumischen. Etwa 6000 bis 8000 Kalorien vertilgt Schrott täglich. Das entspricht dem drei- bis vierfachen Tagesbedarf eines „normalen“ Erwachsenen. Fast Food und Süßigkeiten kommen bei ihm aber so gut wie nie auf den Teller. „Ich esse sehr viel Reis, Nudeln und Kartoffeln, dazu Geflügel und Fisch“, erzählt er. Sein Geheimtipp sind Haferflocken. Die lassen sich auch gut in einen Eiweiß-Shake einrühren und sind so schneller und verträglicher zu konsumieren.

Eine ähnliche Ernährung wie bei Bodybuildern, von denen sich die Kraftdreikämpfer trotzdem deutlich unterscheiden. „Bei uns geht es um ganz konkret in Zahlen messbare Leistungen. Beim Bodybuilding geht es nur um die Optik, deshalb sind die Resultate auch immer etwas subjektive Entscheidungen“, so Schrott. Bei der Wettkampfvorbereitung würden die Unterschiede besonders deutlich. Denn während die Bodybuilder vor ihrem Auftritt kaum noch etwas essen und ihre Körper stark entwässern, werden die Kraftdreikämpfer immer schwerer und machen in der Woche vor dem Wettkampf häufig sogar eine komplette Trainingspause. „Man ist dann voller Power und kommt wie ein Stier aus seiner Box“, beschreibt es der Weltmeister.

Außerhalb der intensiven Wettkampfzeit geht Schrott gerne Wandern. Auch mehrtägige Touren sind dabei keine Seltenheit. Dabei wiegt er häufig zehn bis 15 Kilo weniger als auf der Bühne. In zwei Jahren will er übrigens den knapp 6000 Meter hohen Kilimandscharo in Tansania besteigen. Schrott meint lächelnd: „Da wären 130 Kilo Körpergewicht eher hinderlich.“

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