Fränggische Liedla

26.2.2011, 10:00 Uhr
Fränggische Liedla

© Horst Linke

Gabi Gütter-Bierlein, Leiterin des Kindergartens St. Paul in der Fichtenstraße, kennt sich als gebürtige Nürnbergerin aus mit dem hiesigen Dialekt. „Der kommt auch bei mir immer wieder durch“, erzählt sie belustigt und belegt ihre Aussage umgehend mit dem Ausruf „Allmächd, was habin edza gsachd?“

Gegen den fränkischen Dialekt im Kindergartenbetrieb hat Gütter-Bierlein denn auch grundsätzlich nichts einzuwenden. Allerdings: Ihr Kindergarten liegt in der Südstadt, wo viele Menschen mit Migrationshintergrund leben. „Bei uns betrifft das 52 von 75 Kindern“, sagt Gütter-Bierlein. Im Alltag gehe es daher vorrangig darum, radebrechend deutsch sprechenden Buben und Mädchen mit Reim- und Singspielen bessere Deutschkenntnisse zu vermitteln. „Aber das“, meint die Chefin, „ginge sicher auch mit Fränkisch.“

In der Praxis dennoch für schwierig hält das ihre Kollegin Irina Kaul-Meier vom gleichnamigen Kindergarten St. Paul, der sich ein paar Ecken weiter in der Sonnenstraße befindet. Die Ausgangssituation ist exakt die gleiche wie in der Fichtenstraße: Von 75 Kindern stammen 52 aus Familien mit Migrationshintergrund. „Wir sind schon froh, wenn unsere Kinder überhaupt Deutsch sprechen“, sagt die Leiterin und fügt hinzu: „Da auch noch mit Fränkisch weiterzukommen, das wird schwierig.“

Dabei weiß Irina Kaul-Meier um den besonderen Wert der Mundart. Die 44-Jährige kommt aus Kasachstan, deutsch ist ihre Muttersprache. Nicht hochdeutsch, sondern ein Dialekt, der ihr im Lauf der Zeit weitgehend verlorengegangen ist. Ihr, nicht aber ihrer in der Nähe von Köln lebenden Mutter. Und so kommt es, dass Telefongespräche mit der Mutter Irina Kaul-Meier auf ganz eigene Weise das Gefühl geben, „daheim zu sein“. Denn die Mutter spricht noch stärker dialektgefärbt. Deshalb hebt sie nichts auf, sie „lupft auf“. Sie sagt auch nicht: „So ist es eben“; sie sagt: „So is es ewa.“ 

Mundart auch für Migranten

Während Irina Kaul-Meier glaubt, dass sich die Mundart eher auf der Familienebene erhalten lässt und weniger in Einrichtungen wie Kindergärten oder Schulen, meint Hans Wehrer, Leiter der Grundschule Soldnerstraße: „Bei uns in Fürth brauchen wir das Fränkische nicht zu fördern, denn unsere Kinder beherrschen das aus dem Effeff.“ An einer „Brennpunktschule“ wie seiner sprächen „ja auch die Migrantenkinder Dialekt“.

Das merke man deutlich in den ersten Schuljahren, in denen die Kinder das Schreiben nach Anlaut-Tabelle und Gehör lernen. Im Schulheft stehe dann eben nicht „meine Mutter“, sondern „mai Mudda“, sagt Wehrer. Und das sei auch gar kein Problem. Schließlich sollten die Kinder zunächst hören und Laute zuordnen, „recht zu schreiben“, das lernten sie nach und nach. Mehr noch: „Auch wer färdderisch spricht, lernt durchaus Hochdeutsch zu sprechen und zu schreiben“, versichert der Rektor, der selbst aus Schwabach stammt. Voraussetzung dafür sei allerdings fleißiges Lesen.

Angie Lask, Leiterin des Kindergartens Flughafenbande in Atzenhof, kam in Berlin zur Welt und wuchs in einer Familie auf, in der bewusst kein Dialekt gesprochen wurde. Als die 50-Jährige Anfang der 60er Jahre nach Franken und 1986 nach Fürth kam, war sie „ziemlich entsetzt, wie viel Dialekt hier in den Kindergärten gesprochen wird“. Inzwischen weiß sie: „Kinder, die Fränkisch sprechen, machen ihren Weg.“ Wie viele Kindergärten hat die „Flughafenbande“ an einem Projekt zur Förderung der kindlichen Sprachkompetenz teilgenommen (wir berichteten). Unter anderem fangen manche Kinder in der Einrichtung am Stadtrand schon mit vier Jahren in einem spielerischen Rahmen an zu schreiben.  

Vielsprachiges Singen

Die Vielsprachigkeit der Welt spiegelt sich beispielsweise in Kinderliedern wie Bruder Jakob (Frère Jacques) wider. Kein Problem aber sähe Angie Lask darin, den fränkischen Dialekt, dessen „putzigen Charme“ sie längst zu schätzen weiß, in Sprachprojekte einzubauen. Geburtstagsliedchen würden dann nicht mehr nur auf Deutsch, Englisch, Türkisch und Italienisch geträllert, sondern auch auf Fränkisch. Und zur Begrüßung hieße es „Bonjour“, „Good morning“ und „Morng“.

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