Fränkisch ist bald nur noch im Kabarett der Brüller

20.2.2011, 14:00 Uhr
Fränkisch ist bald nur noch im Kabarett der Brüller

Das würde ein Phänomen erklären, das im krassen Gegensatz zur düsteren Prognose der Unesco-Sprachpfleger steht: Im Kabarett ist Fränkisch derzeit angesagt wie nie — bundesweit. Kabarettisten wie Frank-Markus Barwasser, Urban Priol, Matthias Egersdörfer, Bernd Regenauer, Mathias Tretter, aber auch die Fürther Komiker Volker Heißmann und Martin Rassau sind TV-Stammgäste und treten überall in Deutschland mit großem Erfolg auf.

Wenn die Unesco-Studie stimmt, die alljährlich zum internationalen Tag der Muttersprache aktualisiert wird, könnten die fränkischen Kabarettisten schon bald arbeitslos werden, weil niemand mehr ihre Späße versteht. Oder sie müssten bei ihren Auftritten Untertitel in den Weltsprachen Englisch, Spanisch und Mandarin einblenden, um vom Rest der Menschheit verstanden zu werden.

„Wie soll denn der Franke seinen Weltschmerz und seine schlechte Laune ausdrücken, wenn nicht im Dialekt“, fragt sich Bernd Regenauer, der unter anderem mit der „Metzgerei Boggnsagg“ Riesenerfolg hatte. „Wenn er nicht mehr herumsottern und stänkern und pfobfern kann, dann kann er sich doch gleich die Kugel geben.“ Regenauer ist der Überzeugung, dass der Dialekt den Menschen in einer globalisierten Welt Heimatgefühle und Identität vermittelt. Solange es Franken gibt, wird auch Fränkisch gesprochen, lautet sein Credo, auf das er allerdings offensichtlich selbst nicht ganz felsenfest vertraut: Denn seine erfolgreiche Bühnenfigur, den Berufsfranken und Dialektsprecher Nützel, gibt es nicht mehr. „Nützel ist der erste Franke, der ausgestorben ist“, gibt Regenauer lachend zu.

Exotischer Kauz

Auch Matthias Egersdörfer hat eine derbe Kunstfigur erfunden, die fränkisch spricht. „Das Seltsame ist, dass ich zuerst in Hamburg und Berlin Erfolg hatte und erst später in meiner fränkischen Heimat“, sagt er. „Auswärts gelte ich als der exotische Kauz aus Bayern.“ Seiner Meinung nach ist der fränkische Dialekt weniger von der Globalisierung bedroht als vom Minderwertigkeitskomplex der Franken: „Wenn der Dialekt ausstirbt, haben wir es nicht anders verdient. Die Leute schätzen ihre Mundart hier ebenso wenig wie ihre Ess- und Trinkkultur. Dabei ist Franken doch ein wahres Bier- und Wurstparadies.“ Junge Eltern versuchten mit allen Mitteln, ihren Kindern den Dialekt auszutreiben — und Fränkisch als Fremdsprache in der Schule sei ja wohl auch keine Lösung.

„Zuerst stirbt der Dialekt, dann die Hochsprache“, meint der Nürnberger Mundartautor Fitzgerald Kusz, der mit dem Bühnenrenner „Schweig, Bub!“ ein moderner Klassiker des Genres geworden ist. Doch für Kusz ist der fränkische Dialekt keine sterbende Sprache, sondern lebendiges Sprachmaterial, mit dem sich Emotionen besonders gut ausdrücken lassen.

Mundart habe aber auch eine soziale Komponente: Dialektsprecher gehören in der Regel nicht zu den Privilegierten der Gesellschaft. Dass sich der Dialekt auf dem Rückzug befindet, kann Kusz nur bestätigen. Sorge bereitet ihm, dass Theaterschauspieler, die fränkisch sprechen können, kaum mehr zu finden sind. Die Zeit der großen Volksschauspieler wie Sofie Keeser oder Hans-Walter Gossmann ist vorbei. Für die aktuelle Kusz-Komödie „Lametta“ am Nürnberger Staatstheater musste das Ensemble extra von einer fränkischen Sprech-Erzieherin trainiert werden.

Möglicherweise überlebt der Dialekt nur als Bühnensprache und in der Literatur. Helmut Haberkamm, der in seinen Gedichten die Mundart des Aischgrundes pflegt, spricht von „literarischer Spurensicherung“: „Ich will zeigen, was war und was verlorengeht.“

Sisyphus-Arbeit

Auf der Suche nach dem verlorenen Wortschatz sind auch die Sprachforscher, die seit Jahrzehnten am Ostfränkischen Wörterbuch arbeiten. Das Projekt der Bayerischen Akademie der Wissenschaften erforscht das Sprachgebiet, das etwas größer ist als die drei fränkischen Regierungsbezirke. Früher arbeitete man mittels Fragebogen, nun mit elektronischer Datenverarbeitung. Ein Ende dieser Sisyphus-Arbeit ist nicht abzusehen. 2007 erschien ein Handwörterbuch mit 1800 Stichworten, die aus einer Sammlung von sechs Millionen Belegen zusammengestellt wurden.

Das Ostfränkische zählt wie Alemannisch oder Bairisch zu den oberdeutschen Dialekten. Sie alle verbindet, dass sie nach der Zeit der Völkerwanderung die zweite indogermanische Lautverschiebung erlebt haben. Die moderne Völkerwanderung bedroht nun auch diese Dialekte.

Vielleicht wird eine ostfränkische Sprachinsel in Amerika einmal zum Touristenziel: das Städtchen Frankenmuth in Michigan/USA. Alte Einheimische sprechen hier noch ein leicht amerikanisiertes Ostfränkisch (sie nennen es „Bavarian“), das der Mundart von Neuendettelsau im Kreis Ansbach entspricht.