Freundinnen

16.7.2013, 09:54 Uhr
Freundinnen

© Rödel

Die Art, wie sie ihn ansieht, lässt keine Zweifel aufkommen. Ihre Worte perlen leicht zwitschernd zwischen ihnen beiden. Vielleicht in einer etwas zu hohen Tonlage.

Die Weise, wie er sie ansieht, mit dem aufblitzenden Funken an Begehren in seinen Augen, die Antwort auf ihr Werben. Und Ilse neben ihnen beiden stehend begreift sofort. Alles. Weiß, was hier gespielt wird. Das Spiel des Lockens, des Andockens, des Flirts. Und Ilse hasst sie dafür. Ein Stich flammenden Neids steigt in ihr hoch. Sprüht Funken. Verbreitet sich in einem verächtlichen Grinsen. In einem herablassenden Lacher.

Ungläubig starrt Steffi ihre Freundin an. Bleibt ihrem Wesen treu. Ignoriert das Hässliche. Lacht es weg. Doch in ihrem Mund schmeckt etwas Bitteres. Sie spült es runter mit einem Schluck Wein. Jetzt stößt ihr dieser Schluck sauer auf. Sie flieht auf die Toilette. Dorthin, wo er auch hinwollte. Kurz davor.

Im Vorraum treffen sie sich wieder. Die Leichtigkeit zwischen ihnen ist ungebrochen. Sie machen einfach genau da weiter. Er lächelt sie an. Und sie findet neue Worte. Die irgendwo keinen Sinn ergeben und doch alles ausmachen.

Denn er versteht ganz genau, was sie meint. Sein Lächeln wird weiter. Breiter. Seine Blicke sagen mehr, als er je sagen könnte. Jetzt sagen wollte. Er will eigentlich gar nicht reden. Sondern...

So küsst er sie einfach mitten auf ihren plaudernden Mund. Unvermittelt. Formvollendet. Und noch nicht mal jetzt ist sie still. Kleine entzückende Seufzer spornen ihn an, sie immer weiter zu küssen.

Es braucht noch nicht mal ein „Lass uns von hier verschwinden“. Sie tun es einfach. Ohne unnötige Worte. Ohne Abschied. So was hat sie noch nie getan.

„Wer bildest du dir ein, dass du bist“, quillt es aus ihrem Handy. Die Mailbox spuckt noch mehr aus. Abfällige Worte, die einmal ausgesprochen, nun die Luft verpesten. Unweigerlich die Atmosphäre verändern.

Sie, Steffi, mache sich doch lächerlich. So einer wie der, den gibt es doch an jeder Ecke. Und überhaupt, sie, Ilse, habe sich schon mal erkundigt, was das für einer sei. Sie, Steffi, sei doch wirklich nur eine weitere Kerbe auf seiner Bettkante.

Sie, Ilse, könne wirklich nur dringend raten, dass sie, Steffi, wieder zur Vernunft komme und ihm gleich den Laufpass gäbe. Sie, Ilse, meine es doch wirklich nur gut mit ihr, Steffi. „Der geht doch überhaupt nicht“, tönt das letzte Statement. Betont noch einmal vehement „überhaupt gar nicht“.

Doch da liegt Steffi immer noch in seinen Armen. Trunken vor Beseeltheit. Wohlig räkelt sie sich.

Singt ihm: „Do me, baby, one more time, I can never get enough from a man like you“.

Als sie danach satt ist und sich rund fühlt in ihrem Körper und ihrer Seele, weiß sie das, was sie eigentlich schon lange wusste.

Und sie weiß auch, was es jetzt zu tun gibt. Endlich einen Schlusspunkt zu setzen unter eine Freundschaft, die gar keine ist. Die gar keine sein kann. Wenn die eine der anderen nicht das Glück, das sie unverhofft findet, gönnt. Egal, wie lange das Glück dann auch dauern mag.


 

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