Fürth ist ferientauglich

23.8.2011, 22:00 Uhr
Fürth ist ferientauglich

© De Geare

Wolfgang und Ute Anstötz haben die Koffer schon ausgepackt. Das Ehepaar aus Nettetal steht am Empfang: Wo können sie essen, was gibt es zu sehen in Fürth? Martin Köstner, 45, breitet den Stadtplan aus und erklärt U-Bahn und Buslinien, nahe gelegene Lokale und ein paar Sehenswürdigkeiten. Die Gäste wirken unternehmungslustig, als sie sich auf den Weg machen. Sie sind zum ersten Mal in Fürth, wo Wolfgang Anstötz einen Lehrgang beim Zoll macht. „Und ich darf mitkommen“, sagt seine Frau lächelnd. Nürnberg kennen beide gut, bei Oettingen machen sie regelmäßig Ferien auf dem Bauernhof. Und nun die Kleeblattstadt!

Mindestens zehn Tage können Touristen gut hier verbringen, findet Hotelinhaber Klaus Höchel. Playmobil in Zirndorf ist „ein Muss“ für Familien, das Fürthermare, der Nürnberger Zoo, die Denkmalstadt Fürth, die erste Eisenbahnlinie — alles sehenswert. Die Geschichte der Südstadt liegt Höchel besonders am Herzen: 2005 hat der 53-Jährige die drei ehemaligen Kasernengebäude an der Waldstraße gekauft. Mit seinem Partner Martin Köstner betreibt er schon zwei Häuser mit 35 Zimmern, das dritte wird gerade saniert.

Heute hat das Primavera Parco volles Haus. Das letzte freie Zimmer geht an einen Gast, der gerade zur Tür hereinkommt. Ohne Buchung, auf Zuruf. Für die Hoteliers Alltagsgeschäft. Sie erinnern sich an eine Nacht, als um 3.20 Uhr eine Reisegruppe hereinschneite und sich in den beiden letzten Zimmern stapelte, und um 3.30 Uhr sagten andere Gäste, die ein paar Straßen weiter feierten, ihre Zimmer ab. Die Stornierungsgebühr? „Darauf zu verzichten, ist die beste Werbung“, sagt Klaus Höchel. Erfreulich allerdings sind solche Absagen nicht.

Heute ist alles anders, um Viertel nach sechs haben sogar schon alle eingecheckt. Die Rezeption ist dennoch täglich 24 Stunden besetzt, jeder der neun Angestellten muss im Prinzip alles können. So kommt’s, dass Nico Rieger erst die E-Mail-Anfragen bearbeitet — „Wir bedauern, dass zur Spielwarenmesse 2012 schon kein Zimmer mehr frei ist“ — und dann in die Küche geht, wo große Kühlschränke summen. Der gelernte Hotelfachmann rührt den Kuchenteig fürs Frühstücksbuffet, später wird gekocht und zusammen gegessen. Die Chefs und ihre Mitarbeiter.

„Bei uns schätzen die Gäste, dass es ruhig und familiär ist“, sagen Höchel und Köstner. So familiär, dass ein Stammgast, der vier Tage die Woche beruflich in Fürth ist, hier nun mit seiner Frau, den Eltern und der Großmutter sogar den Urlaub verbringen will. Die Atmosphäre, sagt Höchel, ist wichtiger als die Ausstattung: „Wir brauchen keine goldenen Wasserhähne. Der Gast will ein sauberes Zimmer und eine gute Matratze.“ Aber wenn er abends mit anderen Gästen im Rondell zwischen den Häusern grillt, bleibt das in Erinnerung. So wie das Sonntagsfrühstück, das sich oft bis 13 Uhr dehnt, weil immer nachgelegt wird und es keine Schlusszeit gibt.

Dabei sind die Hoteliers gar nicht vom Fach – und beide haben noch einen Hauptberuf. Martin Köstner bildet als gelernter Schreiner gehörlose Jugendliche aus. Klaus Höchel ist Inhaber einer Gebäudereinigungsfirma mit 100 Mitarbeitern und führt zudem eine Hausverwaltung.

In die Hotelbranche sind die Männer vor 14 Jahren eingestiegen, mit dem Primavera Centro in der Mathildenstraße. Am Anfang stand für sie die Frage: „Wie wollen wir uns fühlen, wenn wir in ein Hotel gehen?“

Dieses Gespür für Bedürfnisse und das Eingehen auf die Gäste lässt neue Pläne wachsen: Wenn das dritte Haus mit weiteren 25 Zimmern eröffnet ist, soll ein gläserner Restauranttrakt dazukommen. Denn Höchel und Köstner kochen mit Begeisterung, sie lieben so einfache wie pfiffige Gerichte. So wie der Unter- und der Oberfranke ihre Wahlheimat lieben. Die schräge Postkartenserie „Die Wahrheit über Fürth“ haben sie gleich über die Eingangstür gepinnt.

Aber jetzt schnell umschalten! Das Radio, das den lieben langen Tag Bayern1 dudelt, spielt Blasmusik. Und die geht ja gar nicht. Außerdem gibt es abends noch zu tun. Papierkram im kleinen Büro hinter der Rezeption, wo ein Zimmerplan hängt und grelle Farben auf dem Computerschirm signalisieren, welcher Raum an welchen Tagen vergeben ist. Daneben liegen Ausdrucke von Wikipedia: Das Kurzporträt über Fürth auf Westhindi und Chinesisch. Wenigstens das, sagen die Hoteliers, würden sie ihren Gästen aus fernen Ländern überreichen. Nicht viel, aber besser als nichts.

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