Fürther Reformationsfeier: Mit dem Glauben in die Schlacht

3.11.2018, 21:00 Uhr
Fürther Reformationsfeier: Mit dem Glauben in die Schlacht

© Archivfoto: Udo Güldner

"Die Schweden sind kumma, ham alles mitgnumma, ham die Fenster neigschlagen, hams Blei davontragen, ham Kugeln draus gossen und alle derschossen": Bis Ende des 19. Jahrhunderts wurde dieses Kinderlied in Fürth gesungen, eine Nachwirkung des Dreißigjährigen Kriegs (1618-48). Im Festgottesdienst in St. Michael erinnerte Dekan Jörg Sichelstiel daran und erzählte davon, dass Schwedenkönig Gustav Adolf anno 1632 just nebenan im Pfarrhaus nächtigte – und mit Sicherheit auch die Kirche selbst besucht hat.

Sichelstiel hatte noch weitere Reime dabei, die von dieser Zeit erzählten. Er rief ins Gedächtnis, dass der Dreißigjährige Krieg samt den damit einhergehenden Hungersnöten und Seuchen die Fürther Bevölkerung auf ein Siebtel schrumpfen ließ.

Viele Opfer

Dass der evangelische Dekan den verheerenden Krieg, der Anfang des 17. Jahrhunderts tobte, zum Schwerpunkt des Gottesdienstes machte, ist durchaus bemerkenswert, wie der Festredner des Abends, Thomas Kaufmann von der Theologischen Fakultät Göttingen, feststellte: Seiner Erfahrung nach thematisieren Kirchen diesen Waffengang nämlich selten, wohl wegen der Vorstellung, dass das Christentum selbst diesen Krieg angestachelt hat: "Und an dieser Vorstellung möchte ich gewiss nicht rütteln."

Kaufmann erläuterte, welche Rolle die Konfession zu jener Zeit spielte: Die Menschen konnten damals keineswegs frei entscheiden, ob sie der einen oder anderen Seite angehören wollen — dem katholischen oder dem reformierten, dem lutherischen Glauben. Dass Luthertum sei als Konfession äußerst vielfältig gewesen, es habe kriegstreiberische Töne ebenso hervorgebracht wie friedensfördernde. "Das Luthertum war für apokalyptische Deutungsmuster besonders anfällig", sagte der Historiker. "Wo diese wirksam wurden, war abwägende politische Rationalität in aller Regel außer Kraft gesetzt."

Riesiges Heerlager

In der Schlacht an der Alten Veste anno 1632 trafen die schwedischen Truppen auf jene von Wallenstein, dessen Lager sich auf dem heutigen Gebiet von Zirndorf, Oberasbach und Stein befand. In seinem Grußwort führte Landrat Matthias Dießl die Dimensionen vor Augen: "Das muss man sich mal vorstellen: 50 000 Soldaten haben dort gelagert mit einem Tross von weiteren 30 000 Menschen. Das sind mehr Menschen als heute in diesen Städten leben."

Auch die Musik des Gottesdienstes war passend ausgewählt, das Lied "Ich bin ein Gast auf Erden" etwa wurde Ende der 1660er-Jahre von Paul Gerhardt geschrieben, der durch den Krieg seine Eltern und seinen Bruder verlor und weitere Gräuel dieser Zeit erlebte. Unter der Leitung von Ingeborg Schilffarth gestaltete ein Chor aus Mitgliedern der Fränkischen Kantorei den musikalischen Part des Abends.

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