Fürths ältester Sex-Shop: Blick hinter den Vorhang

23.9.2015, 11:20 Uhr
Fürths ältester Sex-Shop: Blick hinter den Vorhang

© Hans-Joachim Winckler

Von außen wirkt Fürths ältester Sex-Shop so einladend wie eine Industrieruine in Oberhausen. Die Sandsteinfassade bröckelt, großflächige Werbeaufkleber verdecken die Schaufenster. In der Tür baumelt ein altmodischer Vorhang, der wohl „Wir haben geöffnet!“ signalisieren soll, gleichzeitig aber jeden Blick ins Innere versperrt.

Wer den Vorhang beiseite schiebt, betritt einen kleinen Laden, den es so kein zweites Mal mehr geben dürfte. Die Holzdecke hängt drückend tief, überall stehen volle Regale, kein Zentimeter Raum wird hier verschenkt. Das Mobiliar sieht aus wie aus den 70ern, und das ist es vermutlich auch.

Fürths ältester Sex-Shop: Blick hinter den Vorhang

© Winckler

Heutzutage, wo das Geschäft mit dem Sex seine Schmuddelecke längst verlassen hat und auf die Mitte der Gesellschaft zielt, wo Internet-Händler in bekannten TV-Sendern offensiv und flippig für ihre Ware werben, wirkt dieser Raum wie aus der Zeit gefallen. Betreiber Erich Söllner offenbart einen wohltuend realistischen Blick auf sein Geschäft: „Ich bin der Tante-Emma-Laden der Sex-Shops.“

Fränkisches Mundwerk gegen Verklemmung

Der 62-Jährige hat lichtes Haar, einen grauen Schnurrbart, sehr wache Augen und: ein urfränkisches Mundwerk. Alles andere wäre fatal. Zum einen muss er dem verklemmteren Teil seiner Kunden aufmunternd entlocken, was sie in seinem Laden suchen. Zum anderen muss er mit allen plaudern, die in ihm eine Art Seelsorger sehen; die beim Einkauf darüber sprechen, weshalb es daheim nicht läuft oder warum sie partout keinen passenden Partner finden.

Söllner ist um keinen Spruch verlegen, wird dabei aber selten anzüglich und niemals schmierig. „Ich lebe von meinen Stammkunden“, sagt er mit einer gewissen Demut und fügt hinzu: „Da ist keiner vom anderen Stern dabei, das sind Leute wie du und ich.“

Fürths ältester Sex-Shop: Blick hinter den Vorhang

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Dazu zählen ihm zufolge Fürther, deren Beruf oder Amt es nicht unbedingt erlaubt, öffentlich über Spaß an Fesselspielen oder dergleichen zu reden. „Das erfährt doch niemand?“, fragen sie im Laden, die neuen Handschellen in der blickdichten, schwarzen Einkaufstüte. „Keine Sorge“, antwortet Söllner dann. Diskretion ist alles.

Pornofilme, Strapse und Vibratoren zu verkaufen, sei im Übrigen nicht anders, als „Sandalen“ an den Mann oder die Frau zu bringen. „Beides wird gebraucht.“ Man müsse sich eben auskennen, um passend zu beraten. Sein Fachwissen hat er sich in den bald zwei Jahrzehnten angeeignet, in denen er den Laden leitet.

Vom Tierpfleger zum Ladenbesitzer

Beruflich kommt er eigentlich aus einer ganz anderen Ecke. Viele Jahre arbeitete er als Pfleger im Tiergarten. Bei den Elefanten. Später betrieb er das Fitness-Studio „Paradise“ in der Schwabacher Straße in Fürth. „Schauen’S“, sagt er, zückt sein Smartphone und zeigt ein Foto aus jüngeren Jahren, auf dem er mit riesigen Muskelbergen bei einem Bodybuilding-Wettbewerb posiert. Zu den Kunden im Paradise zählte auch der frühere Inhaber des Sex-Shops am Königsplatz. Als dieser Ende der 90er Hilfe brauchte, stieg Söllner ein, wurde Teilhaber und übernahm den Laden später ganz. Das heißt: Offiziell gehört er seiner Frau, so wie zwei weitere, deutlich modernere Shops in Nürnberg, die das Paar im Lauf der Zeit eröffnet hat.

Fürths ältester Sex-Shop: Blick hinter den Vorhang

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Erich Söllner kümmert sich weiter darum, dass der Fürther Laden läuft – trotz oder vielleicht auch wegen dessen schäbigen Aussehens. Immer wieder habe er daran gedacht, innerhalb Fürths umzuziehen; in schönere Räume in einer besseren Lage, aber das sei utopisch. Entweder falle der Vermieter aus allen Wolken oder die Bewohner. „Sie würden bei dir einkaufen, aber im Haus wollen sie dich nicht haben.“

2009 nutzte er wie andere Fürther Einzelhändler die Chance, in den Schaufenstern des verwaisten Fiedler-Gebäudes für seinen Laden zu werben. Dass ihn damals sogar der Oberbürgermeister schriftlich aufforderte, die Auslage wieder zu räumen, empfindet er noch heute als „heuchlerisch“ und „lächerlich“.

Noch ein paar Jahre will er dranhängen, um irgendwann in aller Ruhe in Rente zu gehen. Bis es so weit ist, wird er weiter hinter dem Vorhang Kundschaft empfangen – Männer und Frauen, Alte und Junge. Im Winter wird er seinen Elektro-Ofen anmachen, denn eine richtige Heizung gibt es nicht, und seine Waren in die schwarzen Einkaufstüten packen. Zum Beispiel Vibratoren, die sich drehen. „So etwas“, sagt er und lächelt verschmitzt, „kann kein Mann.“

 

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