Infra-Chef im Interview

Fürths Infra-Chef: Alle müssen gegen den Klimawandel kämpfen

30.5.2021, 05:58 Uhr
Fürths Infra-Chef: Alle müssen gegen den Klimawandel kämpfen

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Herr Steurer, was tun Sie persönlich fürs Klima?

Ich versuche, Strom zu sparen, ich habʼ zuhause nur LED-Beleuchtung. Ich achte beim Einkaufen auf möglichst wenig Verpackung und fahre bereits seit über zwei Jahren ein Elektroauto. Wichtig ist, viele kleine Dinge zu tun, woraus etwas Größeres wird. Ich bin allerdings kein großer ÖPNV-Nutzer.

Moment, Sie als Infra-Chef sind kein großer ÖPNV-Nutzer? Wie kommtʼs?

Von Pinzberg nach Fürth brauche ich mit dem Nahverkehr ungefähr eine Stunde, mit dem Auto 25 Minuten. Wenn ich dienstlich nach München oder Berlin reise, nutze ich aber immer den Zug. In Fürth bin ich regelmäßig mit einem der E-Scooter unterwegs, die wir bei der Infra haben.

Noch besser wäre: mit dem Fahrrad.

Stimmt. Aber es muss ja Ausbaupotenzial haben (lacht).

Marcus Steurer (46) ist seit knapp drei Jahren Infra-Geschäftsführer. Er lebt in Pinzberg im Landkreis Forchheim, ist verheiratet und hat einen Sohn. Seit 2003 arbeitet er bei der Infra, anfangs noch als Assistent der Vertriebsleitung. 2021 wurde er in den Klimarat der Bayerischen Staatsregierung berufen.

Marcus Steurer (46) ist seit knapp drei Jahren Infra-Geschäftsführer. Er lebt in Pinzberg im Landkreis Forchheim, ist verheiratet und hat einen Sohn. Seit 2003 arbeitet er bei der Infra, anfangs noch als Assistent der Vertriebsleitung. 2021 wurde er in den Klimarat der Bayerischen Staatsregierung berufen.

Wie kam es, dass Sie in den Klimarat berufen wurden?

Ich war beruflich zwei-, dreimal im Ministerium, um Themen zu diskutieren. Da haben sie sich wohl gedacht, dass ich jemand bin, der die Bereiche Klima, Energie und Kommunen gut vertreten kann, sodass ich vorgeschlagen wurde. Es ist ein Gremium, das Impulse gibt und kritisch Themen begleiten kann. Wir beraten den Freistaat, das Ministerium und das Kabinett.

Wie oft?

Das neue bayerische Klimaschutzgesetz ist in aller Munde, deshalb wird es jetzt öfter sein. Wir treffen uns zum Beispiel mit dem Minister und den zuständigen Personen, die es schreiben, und bringen uns ein.

Welche Anliegen möchten Sie dabei ansprechen?

Unser Ziel ist es, dass der Maßnahmenkatalog im Gesetz verbindlich verankert wird. Wir wollen, dass das Programm mit messbaren Zielen und Zwischenzielen ausgestattet wird, die regelmäßig überwacht werden. Aber am Ende müssen es die Bürger richten, auch in Fürth. Sie können den Klimaschutz zum Erfolg bringen, die Stadt alleine kann das nicht. Die Frage ist aber: Wie bewege ich den Bürger dazu, genau das zu tun?

Haben Sie eine Antwort auf diese Frage?

Förderprogramme können etwas bewirken, aber auch eine Photovoltaik-Pflicht auf Neubauten.

Klimaschützer klagen immer wieder, dass Klimagesetze nicht weit genug gehen und zu unkonkret sind. Berechtigterweise?

Ich bin da der gleichen Meinung. Es bringt mir nichts, mir ein Ziel zu setzen und nicht zu wissen, wie ich das erreichen soll. Spannend wird der Zeitpunkt werden, wenn die Leute sehen, welche Maßnahmen sie ergreifen müssen, um das anvisierte Ziel zu erreichen. Da werden uns allen – auch in Fürth – die Augen aufgehen.

Warum? Sind die Einschnitte so gravierend?

Alleine das Ziel, dass der motorisierte Individualverkehr in Fürth von 50 auf 20 Prozent innerhalb von neun Jahren zurückgehen soll, ist ehrgeizig. Es ist machbar, aber geht nur mit erheblichen Einschnitten. Freiwillig werden das die Menschen nicht tun. Bisher hat noch keiner den Mut gehabt, das klar zu formulieren. Ich bin gespannt, ob alle Stadträte im Herbst die Hand heben werden, wenn wir die Maßnahmen im Gremium vorstellen. Auch die Infra wird einen enormen Beitrag leisten müssen. Die Richtung ist dennoch die richtige, ich stelle nicht das Klimaziel infrage.


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Was muss die Infra beitragen?

Wir machen schon viel: Wir haben über 40 Millionen Euro investiert in nachhaltige und klimaschützende Maßnahmen. Nur durch unsere alternativen Erzeugungsmethoden sparen wir pro Jahr über 34 000 Tonnen CO2 ein. Aber wenn wir die Zwischenziele in Fürth erreichen wollen, zum Beispiel den motorisierten Individualverkehr zu senken, müssen wir den ÖPNV stark ausbauen. Ich schätze, dass sich unsere Kosten in diesem Bereich um mindestens 50 Prozent erhöhen werden.

Wo kommt das Geld her?

Einerseits muss die Stadt zahlen, doch die kann nicht alles übernehmen. Es braucht auch Förderprogramme des Freistaats. Und es wird den Bürger treffen.

Glauben Sie, dass es ein großes Thema werden wird, wenn die Leute den Klimaschutz finanziell in der eigenen Tasche merken . . .

Auf jeden Fall, deshalb müssen wir jetzt ehrlich sein und sagen: ,Auch du musst Strom sparen.‘

Hat die Infra schon genug fürs Klima geleistet?

Natürlich nicht. Aber ich persönlich bin gespannt, ob wir es nur annähernd schaffen, die Ziele, die uns vorgegeben werden, zu erreichen. Wir können als Infra ein Treiber der Energiewende, aber auch ein Treiber der Verkehrswende sein, doch wir brauchen die Luft zum Atmen – und das sind Euros.

Nur: Im Zuge der Corona-Krise sind die Fahrgastzahlen eingebrochen – und das bringt auch Verluste mit sich. Glauben Sie, dass irgendwann wieder so viele Menschen den ÖPNV nutzen wie vor der Pandemie?

Ganz sicher. Aber wir gehen mindestens dieses und nächstes Jahr von starken Rückgängen aus. Die Zulassungszahlen für Autos nehmen gerade extrem zu. Wenn jemand ein Auto hat, ist der Umstieg auf den ÖPNV erschwert.

Der Rückgang der Fahrgastzahlen war psychologisch bedingt, die Leute hatten Angst, den Nahverkehr zu nutzen, weil sie sich anstecken könnten. Aber der ÖPNV ist nicht ansteckend, dazu gibt es Studien. Wir müssen die Menschen dazu bringen, diese psychologische Angst abzulegen und zu vertrauen.


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Wie soll das funktionieren?

Wir haben seit Beginn der Pandemie vor über einem Jahr unsere Busse desinfiziert, irgendwann haben wir auf eine Beschichtung umgestellt, die die Viren angreift. Wir haben den Fahrerverkauf eingestellt, die Fenster selbst im Winter offen gehabt. An jeder Haltestelle haben wir gehalten, damit man den Stopp-Knopf nicht drücken muss. . .

. . . das ist alles schön und gut. Aber Ängste können sehr tief sitzen . . .

Die haben ja nicht wir geschürt, sondern unter anderem die Bundeskanzlerin mit der Aussage, man solle versuchen, den ÖPNV zu meiden. Unsere Maßnahmen haben im Sommer einigermaßen funktioniert: Wir hatten steigende Fahrgastzahlen auf niedrigem Niveau.

Lassen Sie uns zum Finanziellen zurückkommen: Jede Maßnahme kostet Geld. Wie fängt man Defizite auf?

Gar nicht. Eine Stadt muss sich bewusst sein, was ihr wie viel wert ist.

Wäre es auch eine Option, den ÖPNV attraktiver zu gestalten, damit die Leute nach der Pandemie zurückkommen?

Ich glaube nicht, dass es an der Attraktivität scheitert. Früher war es attraktiv, auf einem Stoffsitz zu sitzen, heute machen WLAN oder Klimaanlage den Unterschied. Egal welche Umfrage ich sehe in Fürth – die Bürger sind mit der ÖPNV-Attraktivität zufrieden. Es geht darum, ihnen die Angst zu nehmen. Aber natürlich dürfen wir nie aufhören, uns zu verändern.

Das passt wiederum zum Thema Klimaschutz. Was das Erreichen der Ziele in Fürth angeht, klingen Sie nicht sehr optimistisch . . .

Ich bin da pessimistisch, weil der größte Teil der Menschen noch nicht verstanden hat, was es bedeutet. Und weil für mich nicht ehrlich mit dem Thema umgegangen wird. Es wird nicht gesagt, dass wir uns alle werden verändern müssen. Solange die Meinung vorherrscht, dass man weiterleben kann wie bisher, werden wir die Ziele nicht einhalten können.

Lässt Sie Ihr Pessimismus noch ruhig schlafen?

(lacht) Ja, schon. Bei all dem Fachpessimismus, den ich habe, bin ich grundsätzlich ein Optimist. Wenn der Druck groß genug wird, werden wir uns irgendwann verändern.

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