Fürths Kulturforum startet frisch melancholisch in die Saison

22.9.2016, 15:00 Uhr
Fürths Kulturforum startet frisch melancholisch in die Saison

© Foto: Athina Tsimplostefanaki

Hinter Ihnen scheinen ziemlich traurige Monate zu liegen.

Wigger: Eigentlich überhaupt nicht. Ich bin niemand, der dazu neigt, wahnsinnig traurig zu sein. Manchmal allerdings bekommt man mit Blick auf die politische und kulturpolitische Lage durchaus negative Gefühle. Sie fragen wegen unseres Saisonmottos, oder?

 

Genau. Die Saison dreht sich nicht nur, aber oft um das Thema Melancholie. Muss ich dafür ins Kufo? Oder reicht dafür nicht ein Abend mit „Tagesthemen“ und „heute journal“?

Wigger: Das würde sicherlich auch reichen. Es stimmt ja, derzeit kann und mag man nicht immer nur vor Freude klatschen. Es gibt Momente, die betroffen machen. Melancholie, wie wir sie in dieser Spielzeit verstehen, muss jedoch nicht heißen, an der Situation zu verzweifeln, sondern nach Positivem zu suchen. Das melancholische Seufzen im Theater und im Konzert kann zum einen erklären, zum anderen erlösen. Kunst und Kultur sollten meiner Meinung nach nicht nur unsere Realität widerspiegeln, sondern neue Wege aufzeigen. Deshalb gehören Kunst und Kultur für mich unbedingt zur Bildung.

 

Sie haben negative Gefühle auch mit Blick auf die lokale Kulturpolitik, worauf spielen Sie da an?

Wigger: Auf die Unterstützung. Für das Kulturforum ist nichts besser geworden in den vergangenen Jahren, sondern sukzessive schlechter. Was wir hier machen und vor allem, warum wir hier was machen, wird zu wenig gesehen. Stattdessen wird massivst gespart. Ich war im Frühjahr in Burghausen bei der Jazzwoche und absolut begeistert, wie eine Stadt hinter einem Festival stehen und sich damit identifizieren kann. Natürlich auch dank Wacker Chemie als Sponsor. Das Kulturforum hingegen ist eine städtische Einrichtung. Wir können uns, weil wir selber gar keine Sponsorengelder generieren dürfen, an den Sponsorenbeauftragten der Stadt wenden und sehen, was dann dabei herauskommt. Nun ja.

Das klingt durchaus melancholisch.

Wigger: Wenn ich zum Beispiel an unser Festival denke, an die „Fürther Jazzvariationen“: Ich habe ein paar großartige Namen angefragt, aber es hat keinen Zweck, es geht einfach nicht. Entweder bräuchte ich dann das Stadttheater als Veranstaltungsort, dann ist es kein Kufo-Festival mehr. Oder ich mache es hier, dann müsste die Eintrittskarte 80 Euro kostet. Zahlt in Fürth niemand.

 

Kufo-Programmchefin sein, das bedeutet, wie wir Ihren Ausführungen entnehmen, ein unendliches Ringen um Qualität bei bedenklich kleinem Etat. 80 000 Euro an Programmmitteln, das ist in der Tat wenig. Wie melancholisch macht Sie das?

Wigger: Manchmal sehr, zumal, wenn ich sehe, was anderen zur Verfügung steht. Mich bedrückt es, wenn ich hier mit freischaffenden Künstlern Kindertheater mache zu vergleichsweise lächerlichen Gagen. Dabei ist es doch gerade unser Auftrag, freischaffende Künstler zu unterstützen — wer, wenn nicht wir? Aber wenn dann ausgerechnet wir nur Dumping-Gagen zahlen können, finde ich das bitter.

 

Sie schielen Richtung Burghausen, sind in Fürth aber immerhin Gastgeber des Internationalen Klezmer Festivals. Was bejammern Sie?

Wigger: Das Klezmer Festival wird nicht vom Kufo veranstaltet, sondern vom Kulturamt der Stadt. Das Kulturamt ist, wie das Stadttheater auch, lediglich Nutzer unserer Räumlichkeiten. Nun bin ich zwar auch Mitarbeiterin des Kulturamtes, fahre im Kufo aber einen völlig eigenen Kurs. Das ist, wie Sie merken, nach außen nur schwer zu kommunizieren, nämlich: Wer arbeitet denn im Kufo eigentlich mit wem? Ein Festival, das wirklich von uns auf die Beine gestellt wurde, war die Duett-Biennale für zeitgenössischen Tanz. Die gab es dreimal, dann habe ich sie gestrichen. Da fehlt es nämlich einfach an Geld.

 

Eine kulturpolitisch hochaktuelle Frage: Welche Nachbarn fühlen sich vom Kufo in ihrer Ruhe gestört?

Wigger: Gar keine. Zum Glück.

 

Als Jazz-Enthusiastin und -musikerin dürfte Sie aber die Schließung der Grünen Halle nicht kalt lassen. Charmante Idee: Sie übernehmen deren Jazzreihe und bieten zahlreichen jungen Jazzern eine neue Fürther Heimat. Einverstanden?

Wigger: Auch hier entfährt mir ein melancholischer Seufzer, denn die Zusammenarbeit mit der Grünen Halle bei den „Fürther Jazzvariationen“ war sehr gut. Wir hatten hier ja früher eine Jazzreihe. Die musste ich allerdings einstellen, weil die Grüne Halle ihrerseits eine Reihe startete und dafür anfangs 3 Euro Eintritt nahm. Ich gebe Ihnen recht, man könnte das im Kufo wieder aufleben lassen. Aber 5 Euro fürs Ticket, das ist mit mir nicht zu machen. Mit welchem Recht kann ich Gagen so weit drücken, dass der Eintritt fast so viel kostet wie der Kaffee? Wenn ich es mache, dann zu unseren Preisen, 15 bzw. 20 Euro an der Abendkasse. Ob das allerdings klappen könnte, weiß ich nicht. Das Publikum der Grünen Halle war und ist ein anderes als das Kufo-Publikum. Bei uns isst und trinkt man nicht während des Konzerts. Das hat auch was mit Respekt gegenüber den Künstlern zu tun.

Zur ersten Eigenproduktion der Saison: Was hat es mit „Ellis Biest“ auf sich?

Wigger: Das Kufo ist ja angetreten, möglichst viel für kleine Kinder zu tun. Das Stadttheater wendet sich an Kinder und Jugendliche, wir an alle, die noch nicht zur Schule gehen. „Ellis Biest“ ist nach „Komm, wir finden einen Schatz!“ und „Die Schatzinsel“ die dritte Produktion mit den Schauspielerinnen Meike Hess und Rebecca Kirchmann, da ich es sehr wichtig finde, die lokale Szene zu unterstützen. Die Geschichte basiert auf dem Kinderbuch von Martin Karau. Elli liebt alles, was rosa ist, und Prinzessinnen. Aber irgendwann beginnt sie, ein Biest zu erfinden, das plötzlich die Welt auf den Kopf stellt.

 

Wofür würden Sie sich am Ende der Saison 16/17 gern loben lassen?

Wigger: Für ein Programm, das vielen Menschen die Chance gibt, etwas zu entdecken, was sie so noch nicht gesehen oder gehört haben. Und dass sich das Standing unseres Hauses verbessert. Wir werden nach außen zu schwach vertreten. Jeder werkelt einzeln für sich. Aber niemand vertritt das Ganze.

 

Gibt es etwas, dass Sie diesmal ganz anders machen als sonst?

Wigger: Nö.

 

Was macht Sie gerade ganz persönlich melancholisch?

Wigger: Die politische Situation in Deutschland. Als Niedersächsin bin ich auch viel in Mecklenburg-Vorpommern unterwegs. Deshalb hat mich so ein punktgenau ins Schwarze treffender Abend wie „Un Beheimatet“ mit dem Nürnberger Gewerkschaftschor in der Vorsaison sehr gefreut. Welche Sorgen und Ängste Flüchtlinge haben, wird hier spürbar. Wir zeigen die Produktion im März noch einmal, ich halte sie für wichtiger denn je.

Faux Pas: Noche de Tango, Tangomesse „Misa a Buenos Aires“ und traditionelle Tangos. Heute, 20 Uhr, Kulturforum, Große Halle (Würzburger Straße 2). Abendkasse 18/14,40 Euro, im Vorverkauf (FN-Ticket-Point, Breitscheid-Straße 19, Tel. 2 16 27 77) 16/12,80 Euro, mit ZAC-Rabatt. „Ellis Biest“: Theater Morgenroth & Schwester (ab 4 Jahren). Premiere am Samstag, 16 Uhr, Kleiner Saal. Tageskasse 4,90 (Kinder)/7,10 (Erwachsene) Euro, im Vorverkauf 6 (Kinder)/8,50 (Erwachsene) Euro. Kein ZAC-Rabatt. Auch Sonntag, 16 Uhr.

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