Games-Szene: Alte Tugenden in der virtuellen Welt

25.10.2016, 16:00 Uhr
Games-Szene: Alte Tugenden in der virtuellen Welt

© dpa/Oliver Berg

Vor zwei Monaten in Köln: Wer auf der „Gamescom“, der weltgrößten Computerspielmesse, herumflanierte, begegnete nicht nur einer unüberschaubaren Anzahl von Spielen – vom Fußball über Weltkrieg bis zu verwunschenen Welten und Labyrinthen –, sondern zudem tausenden von Spielfreudigen und Cosplayern. Als Barbar, hauchdünn gewandete Prinzessin oder Sumpfmonster wanderten sie durch die Hallen. Irgendwann beschlich den Besucher der Eindruck eines massiven Realitätsverlusts. Bloß wer hat den: der Besucher oder all die anderen?

Heute in Fürth: Die Jugend im Jugendhaus Otto hat sich verzogen, die gereiften Veteranen der Szene lauschen den Ausführungen von Hans Ippisch. Der ideale Mann dafür: einerseits seit 25 Jahren Kenner der Materie, der sich vom Redakteur zum Geschäftsführer des Branchenblatts Computec Media hochgearbeitet hat, der bedeutende Spieleentwickler persönlich kennengelernt, der auch selbst zehn Spiele entwickelt hat; auf der anderen Seite Vater zweier Söhne, der sich der Verlockungen und Risiken des Spiels sehr wohl bewusst ist.

Zunächst ein Blick in die Geschichte der Computerspiele. Die begann früher als gedacht, nämlich 1958, als ein Wissenschaftler für einen Tag der offenen Tür einen Analog-Computer mit einem Oszillographen zusammenschloss und „Tennis for Two“ anbot.

In den 70er Jahren folgten „Pong“, ein weiteres Tennis-Spiel, sowie die ersten Gewalt- und Shooter-Games. Erst 1979 aber begann der Siegeszug der Heimcomputer, nun verlagerten sich die Games aus den Spielhallen zunehmend ins Wohnzimmer — Nintendo und Pokémon eroberten die Kinderzimmer. 2004 kam das erste Spiel auf den Markt, das beim Ertrag die Milliardengrenze überschritt: World of Warcraft.

Und wie sieht es heute und morgen aus? Zwei technische Trends bestimmen die Szene, nämlich Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR). Bei der virtuellen Wirklichkeit setzt sich der Spieler eine Brille auf die Nase und Kopfhörer auf die Ohren.

Das Monster lauert

Er taucht in eine völlig anders geartete Welt ab, rast mit Lichtgeschwindigkeit durchs Universum, schleicht durch den Dschungel oder kriecht durch finstere Verliese. Bei der erweiterten Wirklichkeit (AR), wie sie etwa bei Pokémon Go genutzt wird, sieht der Spieler seine Umwelt, wie sie ist. Was aber nicht ausschließt, dass hinter dem nächsten Busch ein grünes Schleimmonster mit Glubschaugen lauert.

Freilich, der virtuelle Spaß hat seinen Preis: Oculus Rift, das seit Januar diesen Jahres auf dem Markt ist, kostet 699 Euro, HTC Vive gar 899. Hinzu kommt, dass nicht jeder Spieler den optischen Kapriolen zu folgen vermag. Manch einen beschleicht die Seekrankheit.

Hans Ippisch sieht langfristig die größeren Chancen bei der Augmented Reality, und das vor allem außerhalb der Games-Szene: „Ich glaube, AR wird unser Leben noch in anderen Bereichen beeinflussen, etwa bei Auto-Präsentationen, bei der Wartung und Reparatur von Geräten oder auch als Übersetzungshilfe im Urlaub. Mit der AR-Brille könnte man die Speisekarte übersetzen.“

Im Übrigen, so Ippisch, gehe der Trend hin zur Mobilität. Im März 2017 kommt die Konsole Nintendo Switch auf den Markt, ein handliches Gerät, das keinen Unterschied mehr zwischen TV-Spiel daheim und Mobilspiel für unterwegs macht. Der Werbeclip, den Ippisch vorführt, zeigt Jugendliche im Flugzeug, im Zug, im Wartesaal, in Situationen, in denen es Zeit zu füllen gilt. Der Preis ist noch unbekannt, doch damit sich das Gerät durchsetzt, sollte er moderat bleiben. „Mehr als 300 Dollar kann ich mir nicht vorstellen“, sagt der Experte.

Anlass zu Kritik? Ippisch bleibt gelassen: „Spielen tut man immer“, glaubt er. Und: „Die Zukunft des Spiels ist sozial, einer kämpft gegen den anderen. Gerade bei Augmented Reality sieht der Spieler seine Mitspieler.“ Letztendlich aber, so der Experte, werden nicht technische Neuerungen, sondern die altbewährten Tugenden einer guten Geschichte und einer guten Spielmechanik entscheidend sein: „Das ist wie im Kino: Entweder man hat Spaß miteinander oder man ist von der Geschichte bewegt.“

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