Ganz in Weiß - und in Handarbeit

23.3.2018, 18:30 Uhr
Ganz in Weiß - und in Handarbeit

© Foto: André De Geare

Sie scheinen sich in einem sanften Takt zu wiegen, so als folgten sie einem Impuls, den niemand sonst verspürt. Was lässt diese Objekte bloß derart dynamisch erscheinen? Denn natürlich bleiben die Arbeiten, die Philine Görnandt in der Galerie-Wohnung in der Hornschuchpromenade platziert hat, reglos an ihrem Platz, während der Besucher immer weiter vordringt, um den Mikrokosmos in Weiß zu erforschen, der sich plötzlich vor ihm auftut.

Die unendlich vielfältigen Formen rufen Erinnerungen wach. Gedanken an ferne Meereswesen tauchen auf. Korallen? Doch, ja, das hier könnten durchaus Artverwandte sein. Ein Eindruck, der sich erhärtet, wenn Philine Görnandt darüber spricht, wie sie ihre Skulpturen wachsen lässt. Ihr Werkstoff ist Papier. Sie schöpft es selbst, formt es, zieht es durch Leim. Jede einzelne Phase geht wortwörtlich durch ihre Hände. Schicht um Schicht entstehen schließlich ihre Objekte. Ein Prozess, der sich die Zeit nimmt, die er braucht. Denn jede Lage – es können bis zu 40 davon sein – muss nach dem Gestalten erst trocknen, bevor die nächste dazu kommt.

Gleich neben der Eingangstür zur Galerie stehen drei Materialproben, versehen mit dem Hinweis, dass an dieser Stelle Anfassen ausdrücklich erlaubt ist. Eine absolut notwendige Maßnahme. Denn mit dem Berühren wächst das Staunen: Was so filigran, zart und geschmeidig aussieht, fühlt sich verblüffend fest, geradezu hart an. Ein Effekt, der einerseits den Skulpturen die nötige Standfestigkeit verschafft, aber jetzt endlich auch ein Stück weit erklärt, warum Görnandts Werke so fließend wirken: Sie wurden scheinbar mitten in der Bewegung erfasst und tragen diesen Moment noch in sich. Dazu gesellt sich das Licht, das zum Komplizen wird.

Manche Objekte leuchten dank integrierter Lampen von innen heraus, bei anderen kommen Sonne und Schatten ins Spiel, bringen Tiefe und fortwährenden Wandel mit sich. Das Gefühl, durchaus lebendigen Wesen gegenüberzustehen, bekräftigt die Künstlerin mit den Namen, die sie ihren Geschöpfen gibt. Sie heißen Fluxus, Confluens, Spongia. Begriffe, die wie imaginäre botanische Bezeichnungen wirken. Manchmal offenbaren sie gleich, woher sie kommen. So wie die Skulptur In Infimo Mari – auf dem Meeresgrund.

Philine Görnandt (37) stammt aus Jena und wuchs in einer kreativen Familie auf. Der Großvater war Maler und Kirchenrestaurator in Weimar, Großmutter und Mutter sind Künstlerinnen, ihr Vater Matthias wurde als Liedermacher bekannt. Neben ihrem Atelier in der Kulturfabrik Apolda unterhält Philine Görnandt seit ein paar Jahren auch einen zweiten Arbeitsplatz in Fürth im Kunst-Zentrum Clinc in der Südstadt.

Jede ihrer organischen Papierskulpturen, die in Christian Fritsches Galerie in der Promenade ausgestellt werden, erscheint in einer ganz individuellen Textur. Manche sind opak, andere transparent. Das monochrome Weiß, in dem sie auftreten, wird nur zweimal gestört. Dann aber umso nachdrücklicher. Rote Fäden schlängeln sich durch diese Arbeiten, Lebensadern gleich. Aus der Reihe scheint auch die einzige menschliche Figur zu tanzen, die in der Schau zu erkennen ist. Die Statue, der Körper eines Kindes, ist ebenfalls bedeckt mit einem korallenartigem Bewuchs. So als habe sie Jahrhunderte in der Meerestiefe gewartet, bis die Natur ihre Kunst vollendet hat.

"Über das Wachsen": Galerie in der Promenade (Hornschuchpromenade 17), nach Vereinbarung unter Tel. (0911) 70 66 60. Bis 7. Mai.

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