Geburtshilfe ist ein Luxus geworden

25.5.2011, 16:00 Uhr

Liane Borsdorf hat mindestens 1500 Gründe, weiterzumachen. So viele Säuglinge hat die 52-Jährige auf die Welt kommen sehen, erst im Klinikum, dann als freiberufliche Hebamme. „Es ist jedes Mal anders“, sagt Borsdorf, und: „Es ist meine Berufung.“

Borsdorf begleitet Frauen vor und nach der Geburt — und jedes Jahr sind darunter 20 bis 30 Schwangere, die die Hebamme, zu der sie Vertrauen gefasst haben, auch bei der Geburt dabeihaben wollen und sich gegen die Klinik und für eine Hausgeburt entscheiden oder für das Geburtshaus Ammerndorf, das sie 2003 eröffnet hat.

Borsdorf hat längst gehört, dass die Kolleginnen aus dem Schnieglinger Hebammenhaus und aus der Schoppershofer Praxis kapitulieren und ab dem Herbst keine Geburtshilfe mehr leisten. Der Grund: explodierende Berufshaftpflichtbeiträge. Von einst 200 Euro in den 90er Jahren sind sie auf 3900 Euro jährlich gestiegen; und das nicht etwa, wie die Hebammen betonen, weil die Fallzahlen sprunghaft angestiegen wären, sondern weil die Versicherungen im Einzelfall mehr bezahlen müssen als früher.

Mit den Hebammen der beiden Nürnberger Praxen war sie „im guten Austausch“, sagt Borsdorf, „wir haben uns gegenseitig vertreten oder zu Fortbildungen getroffen.“ Dass die Kolleginnen aufhören, sei schade. Nachvollziehen kann Borsdorf es aber schon, auch wenn sie selbst weitermachen will. „Ich lebe ja davon.“ 

Dramatische Entwicklung

Als „eine ganz dramatische Entwicklung“ bezeichnet Susanne Weyherter, die zweite Vorsitzende des Bayerischen Hebammenverbands, das, was gerade passiert. Die Praxen in Schniegling und Schoppershof seien auch für Fürtherinnen quasi um die Ecke gewesen. Nun bleibe für Nürnberg und Fürth nur noch ein Geburtshaus übrig: jenes von Liane Borsdorf. Ihr sei keine andere Hebamme in Fürth bekannt, die Hausgeburten mache, sagt Weyherter.

Ihr eigener Sohn kam vor 18 Jahren in der Schnieglinger Praxis zur Welt. „Das ist eine richtige Institution geworden“, sagt Weyherter. Angesichts des bevorstehenden Endes blute ihr das Herz. Aber Weyherter hat auch die anderen Hebammen im Blick, die sich nur der Vor- und Nachsorge widmeten. Auch ihnen gehe es nicht gut. Übrig bleibe ein Stundenlohn von 7,50. „Für einen Hausbesuch etwa bekommen sie 27 Euro. Und man kann nicht mal schnell auf die Brust, den Bauch oder den Nabel des Kindes sehen. So läuft es nicht. Die Frauen haben 1000 Fragen an uns.“

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