Gefährliche Gaudi

15.11.2008, 00:00 Uhr
Gefährliche Gaudi

© Hans-Joachim Winckler

Der Manni kann jetzt nicht mehr aufgeben. «Die ganze Vorbereitung», er bläst unter der Brille die Backen auf – «wos do alles drohängt.» Seit Monaten ist er am Telefonieren. Mit der Deutschen Fußball-Liga (DFL), dem Fernsehen, der Stadt, der SpVgg. Nur das Freibier fehlt noch. Vier Fässer, so sein Plan, rollen am 23. November ostwärts. Und 43 Mann in Weiß und in Grün.

Das Bier allein ginge noch als Geschichtspflege durch. 1836 transportierte die Ludwigsbahn als erstes Eisenbahnfrachtgut überhaupt zwei Fässer Lederer-Bier von Nürnberg nach Fürth. Manfred «Manni» Knaut kennt sich aus. Als Wirt der «Weißen Rose» in der Königstraße ist er gewissermaßen vom Fach. Als Vorsitzender des gleichnamigen Fan-Klubs auch. Keine Auswärtsfahrt ohne ausreichend Bier. Er grinst schelmisch. «Domols hom’s des Bier nundergforn, mir forns widder nauf – sugor mit Zinsen.» In Mannis Welt ist Nürnberg oben und Fürth unten, jedenfalls topographisch.

Schon im August hat der 54-Jährige in Georgensgmünd angerufen. Dort steht ein Nachbau des legendären Adlers, jener Dampflok also, die 1835 Eisenbahngeschichte schrieb. Von da an harrte Knaut der Terminplanung der DFL. Es durfte kein Freitags- und kein Montagsspiel werden, denn der Adler für die Straße hat kein Licht. Nur der Sonntagnachmittag kam in Frage, und so geschah es dann auch. Da nahm Mannis Traum tatsächlich Gestalt an.

Für andere ist es offenbar der reinste Albtraum. Nicolas Heckel, der Fan-Koordinator der SpVgg, hat Knaut schon abgeraten, die Polizei angeblich auch. Allerdings war gestern Nachmittag weder in Fürth noch in Nürnberg auch nur ein einziger Ordnungshüter erreichbar, der dazu hätte Stellung nehmen können. Die einzige Auskunft lautete: «Der Vorgang ist bekannt». Knaut will schon vor acht Wochen Bescheid gegeben haben. «Seitdem hobb i nix g’hört.»

1000 weißgrüne Luftballons

Man kann sich auch so vorstellen, wie begeistert die Polizei von Fußballfans ist, die am Derby-Tag mit einem Bähnchen und in vollem Kleeblatt-Ornat von der Fürther Königstraße zum Nürnberger Stadion zuckeln. Am Ziel will die «Weiße Rose» – sozusagen als krönenden Abschluss – in rot-schwarzem Hoheitsgebiet noch 1000 weißgrüne Luftballons aufsteigen lassen. Ein Staatsbesuch könnte kein höherers Sicherheitsrisiko darstellen.

«Derby is war» (Derby ist Krieg). So stand es schon vor einigen Wochen eines Morgens in krakeliger Sprühschrift auf einem Hinweisschild auf der Nordtribüne des Ronhofs. Bei den Verfassern handelt es sich mutmaßlich um Mitglieder der so genannten Nürnberger Ultras. Die Gruppe gilt als besonders radikal. Unvergessen sind auch die Ausschreitungen, die sich 2500 FCN-Anhänger vor vier Jahren bei ihrem «Marsch durch Fürth» leisteten. In der «Weißen Rose» gingen mehrere Fensterscheiben zu Bruch. Dieter Wirth, Vorsitzender der Sportfreunde Ronhof, will gehört haben, «dass von der anderen Seite auch diesmal einiges kommen wird». Er meint Gewalt.

«Ich würde empfehlen», sagt der 52-jährige Kleeblatt-Fan, «nicht nur zu zweit oder zu dritt in der S-Bahn zum Frankenstadion zu fahren.» Wirth hält das für zu gefährlich. Die Sportfreunde Ronhof, sagt er, hätten schon davon Abstand genommen, wie geplant mit einem Linienbus im SpVgg-Design nach Nürnberg zu fahren. «Das muss nicht sein. Wir wollen unnötige Provokationen vermeiden.»

Inzwischen hat sogar der Manni «leichte Bedenken». Die genaue Route der Tour der «Weißen Rose» soll vorsichtshalber geheim bleiben. Aber unterkriegen lassen will er sich auch nicht. «Egal, wäi des ausgäid, des Därby is für uns a Gaudi – iech hobb kanne Hassgfühle, a nedd fier Nämbercher.»

Und außerdem hat der Manni die Erfahrung gemacht, dass es auch in der Nachbarstadt nette Menschen gibt. 2003 sind er und seine Kumpels schon einmal mit dem Bähnchen zum Derby angereist. «Do homm am Blärrer die Leit gladdschd.»