Gefühlschaos der Großstadtsingles

15.4.2019, 18:00 Uhr
Gefühlschaos der Großstadtsingles

Es braucht nicht viel: zwei weiße Quader, eine Leinwand und der Hinweis, dass entweder "Sie" oder "Er" hinter der Tür nebenan zuhause ist. Vici Kaller und Frank Strobelt führen Regie und sind Hauptdarsteller in Personalunion. Ein geglückter Kunstgriff. Denn die beiden greifen beherzt zu, wenn es darum geht, das Gefühlschaos der Großstadtsingles in diesen modernen Zeiten in Wort und Szene zu setzen.

Beide sind sie um die vierzig und alleinstehend. Sie ist Psychologin. Wahrscheinlich aus gutem Grund, denn man beobachtet leicht neurotische Züge, eine gewisse Affinität, hinter jeder Aussage einen Angriff, eine Herabsetzung zu vermuten. Er schmeichelt sich lieber in der eigenen Selbstzufriedenheit. Zu viel Tiefgang ist dem Marketingchef eines neuen Joghurtprodukts (Tsunami aus Speisequark) fremd. Während man sie auf dem Jakobsweg vermutet, ist er der Prototyp für eine Woche "Club Med".

In rasender Schnelligkeit

Kein Wunder also, dass die beiden Antipoden bei jeder – anfangs zufälligen – Begegnung den Crashtest der Geschlechter liefern. Das geht mit rasender Schnelligkeit und verbalen Spitzfindigkeiten, die Autor Fabrice Roger-Lancan als jemanden outen, der gerne tief in der Seele seiner Figuren forscht und deren Labyrinthe entlarvt. Ein Beispiel: "Eine Frau, die Zigaretten ohne Filter raucht, ist ein bestimmter Typ Frau. Und ein Mann, der denkt, dass eine Frau, die filterlose Zigaretten raucht, ein bestimmter Typ Frau ist, ist auch ein bestimmter Typ Mann". Denkmuster dieses Zuschnitts führen nicht in naive Liebeständel.

Vielmehr bezeugen die Dialoge die Leere des vereinsamten Singles. Er/ sie tut alles, wirklich alles, um von der eigenen Verletzlichkeit abzulenken. Die Fährte wird so gelegt, dass man nicht auf die Wege stößt, die zur herbeigesehnten Zweisamkeit führen könnten.

Ob mit elegantem Florett oder mit der stabilen Zinke einer Fleischgabel, die Wortgefechte lassen die Protagonisten in dieser Falle kreiseln. Bleibt als Ausweg nur die Suche nach dem Traumpartner im Internet. Algorithmen als Helfer bei der Partnerwahl. Kann das gutgehen? Und wenn ja, wie sollte dieser Partner denn aussehen, wenn man doch nicht einmal genau weiß, wer man selbst ist? Sicher ist nur: Sie oder er darf nicht so sein, wie sie oder er hinter der Tür nebenan.

Tatsächlich landen die ersten Dates aus dem Internet in den Betten und treiben doch sie und ihn zu nachtschlafender Zeit ins Distanz schaffende Treppenhaus. Und es kommt, wie es kommen muss. Das Gefühlschaos ordnet sich. "Du weißt, es wird die Hölle", sagt sie. Ohne zu zögern folgt er ihr hinein.

InfoWeitere Aufführungen: Sonntag, 5. 5. (Desi, Nürnberg), Samstag, 11. 5. (Keck, Nürnberg), Samstag, 25. 5. (Kulturwerkstatt auf AEG), Sonntag, 17. 11. (Theater am Michelsberg, Bamberg)

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