Gewalt schreckt ab

12.6.2013, 22:00 Uhr
Gewalt schreckt ab

© Hans-Joachim Winckler

Ayhan Yesil ist Fachmann für Kommunikation. Aber nicht nur deshalb weiß der 39-Jährige, der unter anderem in zwei Läden in der Fußgängerzone sein Unternehmen rund um Mobilfunk und Handys betreibt: „Die Unruhen sind in Fürth unter türkischen Leuten im Moment das beherrschende Thema, das merke ich, weil ich im Geschäft mit vielen Kunden reden.“ Eines sei völlig klar: „Es geht bei den Protesten nicht um die Bebauung eines Parks.“ Das sei allenfalls der Auslöser gewesen. Friedliche Demonstrationen, so Yesil, seien grundsätzlich richtig. Aber: „Es darf selbstverständlich kein Schaden für Leben und Sachen entstehen.“

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Der Unternehmer wurde in Fürth geboren. Seine Eltern stammen aus Aydin in der Türkei, dort leben viele seiner Verwandten. Yesil steht für die Kommunalwahl 2014 auf der Kandidatenliste der Fürther SPD. „Auch in der Türkei sind demnächst Kommunalwahlen“, erklärt er, „wer sich daran beteiligt, setzt seine Meinung auf dem einzig richtigen Weg um.“ Der Blick in Netzwerke wie „Facebook“ im Internet ist ihm derzeit fast schon vergällt: „Das macht im Moment wirklich keinen Spaß, weil sich dort viel zu oft Anhänger und Gegner von Erdogan gegenseitig beleidigen. Das ist nicht gut.“

„Es geht um mehr“

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Auch für Osman Gündogdu besteht kein Zweifel daran, dass das strittige Bauprojekt im Istanbuler Gezi-Park bei den Protesten allenfalls eine Nebenrolle spielt: „Da geht es um mehr“, sagt der 43-Jährige, „diese Unruhen werden von außen in die Türkei hereingebracht.“ Gündogdu, seit drei Monaten Besitzer des türkischen Restaurants „Antep“ in der Königstraße, erklärt: „Die Türkei ist zum Zukunftsland geworden, das jährliche Wachstum liegt bei 20 Prozent – das hat Neid geweckt.“ Der Gastronom kam in Anatolien zur Welt, er lebt in Nürnberg und ist dort Mitglied im Integrationsrat. Er rechnet vor: „In Istanbul leben fast 15 Millionen Menschen, wenn man rund 1000 Demonstranten dazu in Relation setzt, dann ist das nicht viel.“

Osman Gündogdu zitiert den türkischen Ministerpräsidenten: „Wie Herr Erdogan sagt: Man macht nicht Sachen kaputt, wenn man etwas haben oder ändern will.“ Die Demonstranten müssten friedlich sagen, worum es ihnen geht. Niemand habe ein Recht, Geschäfte oder Autos zu zerstören.

Natürlich verfolgt der 43-Jährige das Geschehen in seinem Heimatland. Er schaut die TV-Nachrichten, telefoniert mit Verwandten in der Türkei oder bekommt Mails. Ist er beunruhigt? „Nein“, versichert Gündogdu, „das wird schon.“ Er ist sich sicher: „80 Prozent der Türken wollen ihre Ruhe haben“.

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Die Frage, ob er besorgt ist, verneint auch Ugur Kartal. Der Schuhmacher in der Fußgängerzone ist sich sicher: „Erdogan wird das hinkriegen, auch wenn er jetzt härter durchgreifen muss.“ Die Ursache für die aktuelle Situation sieht er „in Propaganda gegen Erdogan.“ Die gegnerischen Parteien „unterziehen die Leute geradezu einer Gehirnwäsche, damit sie auf die Straße gehen“. Der 37-Jährige, der in Nürnberg zur Welt kam, lobt ebenfalls die gute wirtschaftliche Situation der Türkei: „Das ist Erdogans Verdienst, genau wie die verbesserte Rentenversicherung oder die Krankenkassen, für die er sich eingesetzt hat.“ Kartal befürchtet: „Die anderen Parteien wollen verhindern, dass die Türkei in die EU aufgenommen wird.“ Gerade daran läge ihm aber zum Beispiel sehr viel.

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Wenn Ramazan Metin in diesen Tagen in eines der bekannten sozialen Netzwerke geht, dann bietet sich ihm überall das gleiche Bild: „Unter türkischen Leuten drehen sich 80 Prozent der Nachrichten um die Vorgänge in Istanbul oder Ankara. Es ist das Thema überhaupt.“ Trotzdem hat der 29-Jährige nicht das Gefühl, wirklich umfassend informiert zu sein: „Jede dieser Meldungen ist doch gefärbt von einer ganz persönlichen Meinung. Wenn man das alles nicht aus der Nähe miterlebt, ist es nicht leicht, sich ein ausgewogenes Urteil zu bilden.“ Er selbst sei weder „auf der einen, noch auf der anderen Seite“.

Metin wurde in Fürth geboren, seine Eltern stammen aus Kayseri bei Ankara. Er führt ein Reisebüro im Schatten des Rathauses, ein Sportcafé und ein Kosmetikinstitut. Der 29-Jährige macht klar: „Demonstrationen müssen generell aggressionsfrei sein.“ Er hofft, dass es möglichst rasch zu „einem friedlichen Schlusspunkt“ kommt, denn „im Endeffekt leide doch stets die Türkei“.

In seinem Reisebüro ist er übrigens noch nicht von Kunden auf die aktuelle Lage in dem beliebten Urlaubsland angesprochen worden. Für Sorgen gebe es aber auch keinen Grund, Ramazan Metin bekräftigt: „Der Tourismus und die Ferienorte sind überhaupt nicht betroffen.“

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