Haus des Lebens

10.8.2006, 00:00 Uhr
Haus des Lebens

Kurz zuvor hat sie zusammen mit Oberbürgermeister Thomas Jung und Museumsleiterin Daniela Eisenstein eine Ausstellung im Jüdischen Museum eröffnet, die sich der akut einsturzgefährdeten Aussegnungshalle auf dem neuen Jüdischen Friedhof widmet (wir berichteten). Zu sehen sind in der Schau Fotografien, die die Geschichte des historischen Bauwerks an der Erlanger Straße, aber auch die beträchtlichen Bauschäden zeigen. Gleichzeitig erhält der Besucher Einblick in die Ausstattung und die Geschichte der Halle.

Besonders anrührend: die Begräbnisriten und die Tradition der Chewra Kaddischa, der Totenbruderschaft. Der «Heiligen Vereinigung“ obliegt die Bestattung, Waisenfürsorge und Friedhofserhaltung. Ehrenamtlich trösten sie die Hinterbliebenen, waschen den Toten im Reinigungshaus, der Beth Tahara, kleiden ihn und haben bei der Beerdigung selbst zahlreiche Aufgaben. Kein Wunder, dass man sagt, sie könnten sich damit das Himmelreich verdienen und übten die größte Mitzwa, die wichtigste religiöse Pflicht, aus.

Stellvertretend für die Fürther Chewra Kaddischa, der bis 100 Personen angehörten, ist ein Porträt von Hugo Heinemann abgebildet. «Die rituelle Reinigung mit Wasser befreit die Toten von den Sünden. Ebenso ist es im Judentum üblich, Bestattungen so schnell wie möglich durchzuführen und auf Blumen zu verzichten“, erläutert Blume. Auch Friedhofsbesucher waschen sich die Hände mit der Natla, einem hübschen Becher mit zwei Griffen, der auf einem Foto zu sehen ist.

Die prächtige Sandsteinhalle wurde 1902 im Neo-Renaissance-Stil erbaut und besticht durch fast schlossartige Formen, wobei die Dreiteilung mit der betonten Mitte, der zentralen Trauerhalle, ins Auge fällt. Das große, aufwändige Gebäude von Architekt Adam Egerer wird durch einen Mittelrisaliten mit Dreiecksgiebel, Zahnschnitt und Palmettenbekrönung strukturiert, die Fassade ist reich geschmückt, wie ein Originalplan von 1901 darstellt.

Florale Muster

In Hebräisch und Deutsch trägt der Giebel die Inschrift «Schalom, Friede den Fernen und den Nahen“. Die großzügige Auffahrt und das schmiedeeiserne Tor sind in der Ausstellung ebenso wirkungsvoll ins Bild gesetzt wie die ursprüngliche Wandbemalung. Vorraum und Halle waren mit mehrfarbigen Marmorsockeln voller floraler Ranken geschmückt, es gab einen Sternenhimmel und einen Mosaikfußboden. Alles ist in der Substanz erhalten und könnte restauriert werden.

Der Verfall ist jedoch dramatisch: Das Dach ist akut einsturzgefährdet, Schimmel und Nässe setzen den rissigen Mauern zu, Leitungen, Fenster und Fassade sind renovierungsbedürftig. Die Kosten dafür veranschlagt die Gemeinde mit einer Million Euro. Knapp 60 000 Euro bilden erst den Sockel, unter anderem durch eine große Benefiz-Gala. Da die 500 Mitglieder das fehlende Geld niemals aufbringen können, ist man auf Hilfe angewiesen.

Ganz in der Zedaka-Tradition, der jüdischen Wohltätigkeit, ist eine symbolische große Spendenbüchse aufgebaut. Schließlich haben Fürther Juden selbst so großzügig gespendet, dass man auf Unterstützung für das «Haus des Lebens“ oder den «Guten Ort“ hofft, wie jüdische Friedhöfe bezeichnet werden.

CLAUDIA SCHULLER