Haushaltwaren seit fast hundert Jahren

14.2.2011, 22:00 Uhr
Haushaltwaren seit fast hundert Jahren

© Hans-Joachim Winckler

Heute hat Heidi Kallmeyer nicht ganz so viel Glück wie sonst. Eierwärmer wollte sie kaufen. Marga Wolf bringt auch welche vor zur Kasse, nur sehen die aus wie kleine Osterhasen. Und ausgerechnet solche will die Kundin nicht. „Naja, macht nichts“, winkt sie ab, und hat schon was anderes entdeckt. „Die rosa Trinkflasche da, die wär’ was für meine Enkeltochter.“

Die 58-Jährige schwört auf den Laden, in dem sie gerade steht. Bei „Wolf am Bahnhof“, sagt sie, bekomme sie „praktisch immer“, was sie suche: einen einzelnen Dichtungsring für den Schnellkochtopf, Gummiringe für die Einweckgläser und sogar eine Eierplatte. Was das ist? Kallmeyer erklärt es schmunzelnd: „Na, so eine Platte mit lauter Vertiefungen. Das hatte man vor Jahrzehnten für russische Eier, und jetzt ist es wieder modern. Ich hab’ die Platte meiner Tochter geschenkt, weil die sich immer meine ausgeliehen hat.“

Mit den Frauen hinterm Ladentisch schwatzt die Kundin noch ein Weilchen, ehe sie sich zum Gehen wendet. „Vorsicht Stufe“, rufen Marga und Cornelia Wolf wie aus einem Mund und fangen an zu lachen, weil ihnen der Spruch, den sie „hundertmal am Tag“ sagen, so in Fleisch und Blut übergegangen ist. Heidi Kallmeyer winkt gelassen ab: „Weiß ich doch.“ Dann geht sie — ohne zu stolpern.

Mühevolle Handarbeit

„Wolf am Bahnhof“ ist aus Fürth nicht wegzudenken. 1916 haben die Eheleute Johann Paul und Anna Wolf die Firma gegründet. In der Maxstraße 17 fingen sie an, mit einer Flaschnerei. „In mühevoller Handarbeit“, heißt es in einem Prospekt, wurden anfangs hauptsächlich verzinkte Eimer und Wannen sowie Kohlenschütter hergestellt“, Behälter also, mit denen man Kohlen für Herd und Ofen vom Keller in die Wohnung trug. Mit dem Leiterwagen zog das Paar durch die Stadt, flickte Dachrinnen, Kessel, Regenrohre. Später kamen Sanitär- und Heizungsinstallationen dazu, und noch vor dem Umzug wurde der Handwerksbetrieb um einen Haushaltwarenladen erweitert.

Seit 1939 befinden sich Geschäft und Werkstatt in der Maxstraße 31, ganz in der Nähe des Bahnhofs. Noch immer ist der Betrieb fest in Familienhand, inzwischen in dritter Generation. In den 50er Jahren waren die Söhne der Firmengründer, Alfred und Erich, eingestiegen. Ihre Ehefrauen Marga und Siegrid — die erste ist jetzt 70, die zweite 78 — zogen mit. Und noch heute stehen sie, zusammen mit Marga und Alfred Wolfs Tochter Cornelia (48) und einer Angestellten, im Geschäft.

Montags bis freitags von 8 bis 12.30 Uhr und dann wieder von 13.30 bis 18 Uhr, samstags von 8 bis 13 Uhr. „Die Stunde Pause“, sagt Marga Wolf, „hatten wir schon immer, unsere Kunden wissen das.“ Ein Teil der Familie wohnt im Haus, kann sich mittags also in der eigenen Küche verpflegen, und sich dann wieder gestärkt an die Arbeit machen. Für die Frauen heißt das meist: Büro oder Verkauf. Cornelia Wolfs Cousin Horst-Peter (46) ist für die Werkstatt verantwortlich und damit für sechs Angestellte, die längst auch Solaranlagen installieren.

Manchmal ärgere sie sich ein bisschen, gesteht Cornelia Wolf augenzwinkernd beim Gespräch im „Bauch“ des Ladens, an einem Tisch, um den Waschbecken und Wasserhähne ausgestellt sind. Denn manchmal kämen von neuen Kunden Bemerkungen wie: „Ach, Sie haben wohl erst aufgemacht?“ „Ja, vor 95 Jahren“, antworte sie dann schon mal, sagt die 48-Jährige. Auch bei Stadtfesten fühle man sich ein wenig stiefmütterlich behandelt, fügt Siegrid Wolf hinzu. „Denn die Aktionen dazu finden leider immer in der Fußgängerzone, auf der Freiheit und am Grünen Markt, aber nie am Bahnhofplatz statt.“

Trotzdem läuft der Laden, stimmt der Umsatz. Das versichern die drei Frauen unisono. „Unser Vorteil, auch gegenüber großer Möbelhäuser mit Haushaltwaren-Sortiment ist“, meint Marga Wolf, „dass wir gut sortiert sind und nicht so hochtrabende Sachen haben, sondern das, was jeder Haushalt braucht.“ Und Deko-Artikel, die seien auch wichtig. Vasen etwa und, zurzeit passend zu Ostern, schimmernde Hasen.

„Wolf am Bahnhof“, der Name steht auch für den Spagat zwischen früher und heute. Denn hier, wenige Schritte entfernt vom hochmodernen Kühlschrank mit No-Frost-Funktion gibt es sie immer noch, die Kohlenschütter und Ölkannen für die Öfen von anno dazumal. Cornelia Wolf, die Jüngste im Frauenteam, ist überzeugt, dass der Laden eine Zukunft hat. Nicht nur, weil er eine Brücke über die Zeiten schlägt, sondern auch, weil es eine Gegenbewegung gebe zum Online-Shopping. „Viele Leute legen wieder Wert auf Beratung und wollen das, was sie kaufen, vorher anschauen und anfassen.“