Hetze im Netz: Lokalpolitiker wünschen sich mehr Schutz

22.1.2020, 14:45 Uhr
Hetze im Netz: Lokalpolitiker wünschen sich mehr Schutz

© Archivfoto: Berny Meyer

Eine Umfrage von Report München – vergangenes Jahr unter mehr als 1000 Bürgermeistern gemacht – zeigt, dass Drohungen und Hetze gegen Lokalpolitiker längst keine Randerscheinungen mehr sind. Über 40 Prozent der Befragten gaben an, bereits Erfahrungen mit Hassmails, Einschüchterungsversuchen oder Übergriffen gemacht zu haben. Die Reaktionen der Betroffenen reichen vom Wunsch nach einem Waffenschein bis zur Niederlegung ihrer Ämter. Heute befasst sich der Landtag mit der Frage, wie Kommunalpolitiker künftig besser geschützt werden können.

Wird eine Frau als Politikerin schneller zum Opfer? Oder ist die Hemmschwelle da vielleicht höher? Birgit Huber überlegt eine Weile und sagt dann, sie vermöge das nicht zu beurteilen. Aber Fakt ist, so die Bürgermeisterin: "Ich habe mich in den vergangenen zwölf Jahren in Oberasbach nicht wirklich bedroht gefühlt."

Von heiler Welt kann aber auch im Landkreis keine Rede sein: Huber kennt unschöne Äußerungen im Internet. Auf Plakaten sei ihr Name verunglimpft worden, und "es gab schon eine verstärkte Ansammlung von Hundehaufen in der Einfahrt vor meinem Haus". Die Menschen sind immer weniger kompromissbereit, das Gemeinwohl gerät aus dem Blick, glaubt Huber festzustellen.

Wichtig ist der CSU-Politikerin deshalb, dass sich der Landtag des Themas annimmt. Natürlich würde sie bei einer massiven Bedrohung bei der Polizei Anzeige erstatten. Ihr Wunsch: ein Experte, sei es beim Freistaat oder beim Gemeindetag, "bei dem man Gehör findet und der einen berät, wie man mit so einer Situation umgeht".

Polizeihauptmeister Bernd Klaski, als Kommunalpolitiker nicht einmal in Amt und Würden, kandidiert für die CSU als Bürgermeisterkandidat in Zirndorf. Er sah sich vergangenen September, kaum dass er nominiert war, gezielten Verleumdungen in Form von E-Mails und Briefen eines anonymen Absenders ausgesetzt. "Das waren harte Wochen, es hörte einfach nicht auf. Mal war zwei Tage Ruhe, dann tauchte irgendwo die nächste Mail auf", erinnert er sich.

Klaski erstattete Anzeige wegen Rufmords. Beamte der Kripo Fürth, die im Fall ihres Zirndorfer Kollegen tätig wurden, ließen ihn erst unlängst wissen, dass die Ermittlungen gegen Unbekannt im Sand verlaufen seien. Der Brief habe nichts hergegeben, die E-Mail lief über einen ausländischen Server. "Trotz vereintem Europa enden die Recherchen der Polizei an der Landesgrenze", sagt Klaski.


Fürths OB: "Man darf Politiker nicht zu Hass-Objekten machen"


Das ärgert ihn, nicht nur als Polizist, "auch privat war es für mich schwierig". Mit Zweifeln, "dass an der Nummer irgendetwas dran gewesen sein könnte", sah er sich in der Folge vereinzelt doch konfrontiert. Die Anonymisierung im Internet mache es möglich. Von ähnlichen Vorfällen in jüngerer Vergangenheit ist ihm weder aus Parteikreisen noch als Polizist etwas bekannt. "Zum Glück", sagt er.

Den Vorstoß "hochrangiger Politiker, die Gesetze so anzupassen, dass sich auch die Ermittler den heutigen Gepflogenheiten des Internets anpassen können und die Ermittlungs-Schranken gesenkt werden", begrüßt Klaski. Er selbst ist Verkehrspolizist, mit Cybercrime und Internet-Forensik hat er nichts zu tun. "Dass es schier unmöglich ist für deutsche Behörden, etwa Auskunft über den Ersteller einer Seite auf einem Server im Ausland zu erhalten, war mir zuvor auch nicht klar."

Auch Barbara Fuchs hat in Sachen Beleidigung und Bedrohung im Netz schon einiges erlebt. "Der Umgang ist rauer geworden", sagt die Landtagsabgeordnete der Fürther Grünen, die auch im Stadtrat sitzt. Immer öfter landen in ihrem Mailfach oder in den sozialen Medien Kommentare, die in Ton und Inhalt "unter die Gürtellinie gehen". In den meisten Fällen weiß sie sich zu helfen, etwa, indem sie den Autor verunglimpfender Kommentare sperrt. "Wenn ich das so eindämmen kann, ist der Fall für mich dann auch abgehakt", sagt Fuchs, die betont, dass sie sich nicht als Opfer fühlt, sondern sich zu wehren weiß. Politikerinnen, glaubt sie, würden oft wegen ihres Aussehens, ihrer Kleidung oder weil sie eben eine Frau sind angegangen, bei ihren männlichen Kollegen stünden eher die Inhalte in der Kritik. Zu dieser Vermutung passt auch der Fall, bei dem sich die Grünen-Politikerin Hilfe bei der Polizei suchte: Unbekannte hatten damals einen ihrer Artikel mit einer Pornoseite verlinkt.

Wie die Debatte im Landtag heute ausgehen wird, sie weiß es nicht. Wünschen würde sie sich aber, dass es bei der Polizei einen konkreten Ansprechpartner gibt, wenn man zur Zielscheibe von Hasskommentaren oder Bedrohungen geworden ist. Ihn sollte man bei einem Blick auf die Homepage sofort finden können.

Der Ton wird ruppiger

Fürths Bürgermeister Markus Braun (SPD) hat noch keine üblen Kommentare oder Drohungen abbekommen. Lediglich eine Postkarte mit der Aufforderung, er solle doch "nach Afrika ausreisen", lag einmal in seinem Briefkasten. Nach dem ersten Schreck entpuppte sie sich als keine akute Bedrohung. Was aber auch ihm auffällt: Der Ton wird allgemein ruppiger, die Anonymität im Internet sei nicht hilfreich für eine demokratische Debattenkultur. Diese nehme eher ab, die Ich-Zentriertheit vieler Menschen stattdessen zu.

Brauns Wunsch: Die Bürger sollten mehr Zivilcourage zeigen und sich etwa gegen Hasskommentare im Netz stellen. "Demokratie ist die Sache jedes Einzelnen, daran sollte auch jeder aktiv mitwirken." Hilft dies jedoch nicht, würde Braun für eine zentrale Stelle bei der Polizei plädieren, die Erfahrungen auf diesem Gebiet hat.

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