Hier werden auch Sorgen aufgetischt

4.5.2017, 13:00 Uhr
Hier werden auch Sorgen aufgetischt

© Foto: Sabine Rempe

Kartoffeleintopf soll es geben. Also werden Schürzen umgebunden, die Messer gezückt. Während sich immer mehr geschälte und fein gewürfelte Kartoffeln in der Schüssel häufen, wird sich angeregt unterhalten . . .

Genauso hat sich das Franziska Schwarz vorgestellt: "Wir kochen und essen miteinander, reden, tauschen Erfahrungen aus." Die 23-Jährige ist Sozialpädagogin, während ihres Studiums stieß sie auf ein Thema, das sie nicht mehr losließ: "Rund 70 Prozent der Demenzkranken sind Frauen. Ich habe mir überlegt, dass man für die Männer, die als pflegende Angehörige betroffen sind, etwas machen müsste." Es ist ein Gebiet, auf dem sich bislang noch nicht viel getan hat.

"Männer versuchen meist, alles alleine zu meistern. Sie gehen selten nach außen mit ihren Sorgen, sondern ziehen sich mit ihren Problem oft zurück", hat Franziska Schwarz erfahren. Daraus könne ein verhängnisvoller Kreislauf entstehen, der nicht selten Vereinsamung und Depression mit sich bringt.

Erfahrungen austauschen

Genau dem will die junge Frau, die sich auch zur Betreuungsassistentin Demenz weitergebildet hat, mit ihrer Idee entgegenwirken: "In der ,Herrenrunde‘ geht es letztendlich um Entlastung. Man kann hier Menschen mit ähnlichen Erfahrungen treffen und zwanglos ins Gespräch kommen." Ein wesentlicher Punkt, der oft zu kurz kommt, ist für sie auch die Frage: "Wie kann man für sich selbst gut sorgen und zugleich für den anderen da sein?"

Inzwischen köchelt der Eintopf vor sich hin. Der zweite Gang – Spitzkohl mit Meerrettich – wird vorbereitet. Das Kochen ist für die Gruppe freilich viel mehr als Mittel zum Zweck. "Der Pflegealltag ist belastend, da bleibt wenig Zeit. Aber man kann sich doch nicht ausschließlich von Fertigprodukten oder Ähnlichem ernähren", macht die junge Frau klar. Deshalb steht bei den gemeinsamen Treffen die Zubereitung von "einfachen, schmackhaften, gerne auch traditionellen Gerichten" auf dem Programm, die sich anschließend problemlos zuhause auftischen lassen.

"Das sind traumhaft gute Rezepte", lobt Dieter Zirngibl, "sie probiert das alles vorher aus, weil es bei uns ja schnell gehen muss." Der 73-Jährige gehört zu der Gruppe von meist sechs Männern, die sich seit Beginn in der "Herrenrunde" treffen. Auch Heinz Jung (78) ist von den Küchentipps angetan: "Ich hab’ hier gelernt, wie Fisch gelingt. Vorher hat der bei mir immer in der Pfanne gepappt." Franz Geßl (85) ist der Großvater von Franziska Schwarz und findet die Initiative seiner Enkelin ausgezeichnet: "Bisher konnte ich eigentlich nur Spiegeleier selbst machen", sagt er schmunzelnd. "Ich war selbstständiger Malermeister, da blieb mir keine Zeit zum Kochen."

Beinahe wichtiger noch ist den Männern tatsächlich aber die Möglichkeit, beim gemeinsamen Einsatz am Herd ganz zwanglos ins Gespräch zu kommen. "Da sagt einer einfach mal ,Horch, pass auf‘ und dann gibt es wieder neue Informationen, die wichtig sein können", erklärt Dieter Zirngibl.

Wie hilfreich solche Hinweise sein können, weiß Heinz Jung nur zu gut: "Als meine Frau krank wurde, habe ich quasi bei null angefangen." Seine Erfahrung fasst er so zusammen: "Die Krankheit macht uns heute manchmal weniger Probleme als das System, das ist manchmal wie eine Gummiwand."

Längst ist der 78-Jährige zum Fachmann geworden, hat sich einen genauen Überblick über die Krankheit gemacht und kann sich einfühlen: "Demenz, das ist, als ob du dich bei Schneetreiben im Wald verirrst. Du wirst völlig unsicher, Emotionen kommen hoch und natürlich Angst."

Die Partnerin fehlt

Franziska Schwarz gibt keine Themen vor. Sie ist einfach da, hört zu, unterhält sich mit. Es geht um Alltägliches, und es wird viel gelacht. Doch in dem mittlerweile recht vertrauten Kreis kommen auch Sorgen und Nöte auf den Tisch. Es versteht eben jeder, wie schwer das ist, wenn "die vertraute Partnerin, mit der man über 50 Jahre gelebt hat, fehlt", weil die Krankheit ihre Erinnerungen ausgelöscht und ihr Wesen verändert hat.

Verständlich auch, dass jeder manchmal bei sich selbst nach Spuren der Krankheit sucht, die jeden treffen kann. "Es gibt Tests beim Arzt, wenn man das früh erkennt und gut eingestellt mit Medikamenten, dann kann man die Auswirkungen hinauszögern", erklärt einer der Männer.

Inzwischen wird der Tisch für alle gedeckt, es duftet verlockend aus den Töpfen. Franziska Schwarz ist froh, dass ihr Projekt von vielen Seiten Unterstützung bekommt. Da sind zum Beispiel ehrenamtliche Helfer wie Gabriela Jesch, der Diakonieverein Oberasbach und die Stadt, die diese Runde mittragen.

Der Lions Club Zirndorf engagiert sich darüber hinaus als Sponsor und finanziert zum Beispiel die Zutaten, die sich jetzt in ein feines Menü verwandelt haben . . .

Herrenrunde – Kochen, Reden, Demenz, einmal im Monat samstags von 11 bis 13 Uhr, Diakoniestation Oberasbach, Friedhofsweg 4. Anmeldung und weitere Information: Franziska Schwarz, Tel. (01 57) 73 93 65 48, E-Mail: schwarz.franziskaa@gmail.com

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