Hilfe, die durch den Magen geht

11.2.2013, 22:00 Uhr
Hilfe, die durch den Magen geht

© Hans Winckler

An diesem Vormittag ist die Tür des Bauwagens verschlossen. Die Stille trügt, es tut sich eine Menge. Man muss nur um die Ecke biegen. Dort, im Gemeindehaus der Heilig-Geist-Kirche, stehen Bedürftige mit noch leeren Tüten und Taschen Schlange, die Lebensmittelausgabe der Fürther Tafel ist in vollem Gang. Wer sich als Bedürftiger ausgewiesen und mit Gemüse, Milch, Brot und anderen Nahrungsmitteln eingedeckt hat, darf sich, dank „GeH Hin!“, an den Mittagstisch setzen.

Eine lange, hübsch gedeckte Tafel in der Eingangshalle lädt dazu ein, aus der benachbarten Küche dringt das Klappern von Geschirr. Die ersten Gäste haben dampfende Teller vor sich. Es gibt Lauchcremesuppe und danach ein Stück Zitronenkuchen.

„Alles selbst gemacht“, versichert Ursula Machner vom ehrenamtlichen Küchenteam, dem auch Hanna Hrib angehört, Bürgerarbeiter Rolf Beres und Fürths früherer evangelischer Dekan. Michael Höchstädter rührt unermüdlich in einem gewaltigen Topf und erklärt, er habe hier eine wunderbare Aufgabe gefunden: „Ich koche ja für mein Leben gern.“

Auch Machner und Hrib erleben jede Woche aufs Neue das schöne Gefühl, etwas für andere Menschen tun zu können und gebraucht zu werden. „Wenn ich die zufriedenen Gesichter der Leute sehe, geht’s mir gut“, versichert Hrib. Die 50-jährige Hartz-IV-Empfängerin hat drei Kinder großgezogen und in einer Papierfabrik am Fließband Akkord gearbeitet, ehe die Firma Personal abbaute und sie den Job verlor. „Für mich“, sagt sie, „ist das hier eine große Aufgabe.“

Seit August gibt es den Mittagstisch. Lisa Miller, Projektverantwortliche beim Diakonischen Werk, und Philipp Schmuck, Sozialpädagoge vor Ort, ging es zunächst schlicht um Gastfreundschaft, darum, den an der Tafel-Ausgabe anstehenden Rentnern, Alleinerziehenden und Arbeitslosen eine Tasse Kaffee anzubieten. Als sie hörten, dass saisonales Gemüse bei der Tafel weniger gefragt ist, weil viele Menschen nicht wissen, wie sie das verarbeiten können, entstand die Idee, einmal pro Woche ein Mittagessen anzubieten. Schmuck: „Wir kochen mit Zutaten, die es auch bei der Tafel gibt, und wollen nebenbei vermitteln, dass man daraus mit einfachen Mitteln ein gutes Essen zubereiten kann.“

Das kommt an. Sie frage oft nach den Rezepten, sagt eine 58-jährige Frau mit Hut, während sie hingebungsvoll Suppe löffelt. Und ein Mann mit Käppi und dicker Jacke erklärt, er habe erst hier erfahren, dass sich ein Eintopf andicken lässt, indem man eine Kartoffel hineinreibt. „Ich hab’s immer mit Mehlschwitze gemacht und dann ist alles im Topf festgeklebt.“ Beim Plaudern zeigt sich: Die Menschen kommen nicht nur hierher, weil es ein Essen und ein paar Koch-Tipps umsonst gibt. Sie kommen auch, „weil es schöner ist, hier zusammenzusitzen als allein daheim zu essen.“ Bekanntschaften entstehen. Wer fernbleibt, wird vermisst.

Aus den Gesprächen am Tisch, sagt Schmuck, habe sich schon manche Beratung im Bauwagen ergeben, der „Einsatzzentrale“ von „GeH Hin!“. Unter vier Augen lasse sich dort jenseits einschüchternder Ämtergebäude über Nöte und Probleme reden. Von Fall zu Fall empfiehlt Schmuck dann weitere Anlaufstellen, etwa die Erziehungsberatung oder, bei Geldsorgen, die Schuldnerberatung.

Die Frau mit Hut erklärt am Tisch, sie spüre hier, dass die Kirche sie auffängt. Für die Macher von „GeH Hin!“ ein großes Kompliment und Zeichen dafür, dass sie auf dem richtigen Weg sind. In Sachen Mittagstisch waren Sozialpädagoge Schmuck und sein Mitarbeiter Beres zunächst zu zweit. Doch bald fragten mit Ursula Machner und Hanna Hrib zwei der ersten Gäste nach, ob sie helfen könnten. Seitdem sind die beiden Frauen unersetzlich im Küchenteam, das jede Woche 30 bis 35 Mahlzeiten auf den Tisch bringt. Eine ältere Dame hat sich soeben am Tisch verabschiedet. Ihr Stückchen Zitronenkuchen hat sie sorgsam eingepackt und Hanna Hrib augenzwinkernd zugeflüstert: „Das heb’ ich mir für später auf, und wenn ich’s ess’, dann denk’ ich an dich.“

Das Projekt „GeH Hin!“ ist auf drei Jahre angelegt und eine von 60 Initiativen zur Armutsprävention, die im Rahmen des Programms „f.i.t.“ von der evangelischen Landeskirche und dem Diakonischen Werk Bayern gefördert werden, hier mit insgesamt 91000 Euro. Sponsoren sind dennoch nötig und willkommen. Kontakt: Lisa Miller, Telefon (0911) 7493325.

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