Höhere Fahrpreise: Handel bleibt skeptisch

4.12.2010, 10:00 Uhr
Höhere Fahrpreise: Handel bleibt skeptisch

© Mark Johnston

Dagmar Orwen lässt an ihrer Haltung keinen Zweifel: „Das ist unglaublich, das machen wir nicht“, sagt die Geschäftsfrau, Chefin des Ladens „Vom Fass“ in der Fußgängerzone. Mit „das“ meint Orwen, was die infra den Einzelhändlern im Rahmen ihrer geplanten Tarifanhebungen für den öffentlichen Nahverkehr andient: Wer ein gültiges Ticket für Bus oder U-Bahn vorweisen kann, soll ab 2012 in Fürther Geschäften ab einem Einkaufswert von 20 Euro einen Euro Rabatt bekommen.

„Mit dieser Maßnahme können zum einen Kunden gewonnen werden, zum anderen wird den Kunden eine durchaus attraktive Kompensation für die erhöhten Fahrpreise geboten“, heißt es dazu im Konzept der Verkehrssparte des städtischen Unternehmens; von einer gleichzeitigen „Belebung des Fürther Einzelhandels“ sei zudem auszugehen.

„Wenn bei uns jeden Tag der Umsatz brummen würde, wäre das ja vielleicht machbar“, sagt Orwen, auch im Namen des Verbands der „Kreativen Einzelhändlerinnen“ — doch das sei eben in Fürth seit Jahren nicht der Fall. Orwen, die für die Grünen im Stadtrat sitzt, hat sich dort zusammen mit acht weiteren Frauen und Männern gegen die große Mehrheit der Kommunalpolitiker gestellt, die der geplanten Tarifänderung zustimmten (wir haben berichtet).

Ihr Kollege Norbert Staudt, Fürther Sprecher im Landesverband des Bayerischen Einzelhandels (LBE), teilt Orwens Bedenken. Das „schwächste Glied in der Kette“ solle auf diesem Umweg für die Kosten der Fahrpreiserhöhung aufkommen, meint er und rechnet vor: Ein Euro macht bei 20 Euro Verkaufspreis stolze fünf Prozent Rabatt aus – viel zu viel angesichts der geringen Gewinnspannen, die er und seinesgleichen hätten.

„Brisantes Thema“

Staudt hegt darüber hinaus ebenso wie Orwen Zweifel an der praktischen Umsetzbarkeit: Wie kann man verhindern, dass mit einem Fahrschein mehrmals Rabatt eingefordert wird? Wie dokumentieren die Händler den Nachlass ohne Beleg gegenüber dem Finanzamt? Fragen, auf die man im neuen Jahr Antworten haben möchte, so Staudt. Nach dem Weihnachtsgeschäft, das im Moment keinen Raum dafür lasse, werde der örtliche Einzelhandel über das „brisante Thema“ diskutieren.

Einem anderen brisanten Thema hatte infra-Chef Hans Partheimüller eine überraschende Wendung gegeben, als er im Stadtrat um Verständnis für die Preiserhöhungen warb: Ein immer wieder gefordertes Sozialticket für Bedürftige werde in naher Zukunft eingeführt, und zwar im gesamten Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN), versprach Partheimüller — und untermauerte das mit dem markigen rhetorischen Zusatz: „So wahr ich hier stehe!“ Man habe sich „dahingehend verständigt, dass wir’s auf die Reihe kriegen“.

Auf Nachfrage unserer Zeitung zeigte man sich beim VGN weniger euphorisch. Der Wunsch der Fürther infra nach einem verbundweiten Sozialticket sei zwar bekannt und werde wohlwollend geprüft, sagt Pressesprecher Manfred Rupp. Doch noch stünden etliche Untersuchungen bevor. Nicht zuletzt ist die einhellige Zustimmung der beiden VGN-Gremien mit 23 beteiligten Städten und Landkreisen sowie acht Verkehrsunternehmen nötig — angesichts unterschiedlicher Interessenlagen keine einfache Aufgabe.

Zusagen, bedauert Rupp, könne man deshalb „derzeit verbundweit nichts“. Und das verbale Vorpreschen Partheimüllers? Werte man als „nochmaliges Signal der infra“, so Rupp diplomatisch.