Im Spannungsfeld von Farbe und Bewegung

7.10.2009, 00:00 Uhr
Im Spannungsfeld von Farbe und Bewegung

© Thomas Scherer

«Jetzt habe ich endlich Platz für Skulpturen», sagt Galeristin Ellen Haselmayer über den neuen Ausstellungsort. Als das Quartiersbüro sie auf die leer stehenden Räumlichkeiten in einem charmanten Hinterhaus aufmerksam machte, überlegte sie nicht lange. Zu beengt erschien ihr das «Kleine Atelier Hirschenstraße», in dem sie seit 2004 Kunst und Künstler förderte.

«Bei der Auswahl des Programms bin ich absolut frei – aber jetzt bin ich noch freier», freut sie sich, denn mit mehr Quadratmetern gibt es auch mehr Möglichkeiten. Und so beherbergt die aktuelle Ausstellung auch gleich die Werke von zwei Künstlerinnen. «Farbe trifft Bewegung» ist die Begegnung der dynamischen Skulpturen von Astrid Rusam mit den lebendig farbigen Gemälden der Malerin Marlene Weindler.

«Ich liebe Tanz», verrät Rusam und zeigt auf ein schwebendes «Pas de deux», zu dem sie eine Ballettaufführung in Stuttgart anregte. Ein breitschultriger Mann stützt den weit nach hinten gebogenen Oberkörper einer zierlichen Dame, die auf seinen Beinen liegt. Die beiden Figuren aus Seidenpapier hängen an einem dünnen Faden und stehen nie still.

Im Gegensatz zu diesen filigranen Wesen sind viele andere Arbeiten der Nürnbergerin aus schwerem Stoff: Eisen und Metall verwendet Rusam gerne und durchkämmt Schrottplätze auf der Suche nach geeigneter Materie. Was dann nach mühsamem Schweißen und Schrauben entsteht, sind Gebilde, die nicht minder von Leichtigkeit beseelt scheinen, wie die Papiertänzer. Metallene Ballerinen aus Schrauben und Maschinenfedern, ein Rollschuhläufer mit stählernem Zopf und ein «Glückliches Dorf» aus massiven Substanzen strahlen Fröhlichkeit aus und halten das Auge in ständiger Bewegung.

Dieses Phänomen bewirken auch die Bilder von Marlene Weindler. Ihre Kompositionen scheinen zunächst völlig abstrakt zu sein. Verschiedene Farbflächen treten in Interaktion, reiben sich oder harmonieren und erzeugen unterschiedliche Stimmungen. Bei näherem Hinsehen werden jedoch plötzlich Gegenstände sichtbar.

Auf «Gemischte Gefühle» erkennt man dezent eine Gabel, die etwas aufspießt, Wellen, ein Schiff und schließlich, am Horizont, einen Hügel, auf dem ein Schloss steht. Oder gaukelt die Phantasie dem Betrachter etwas vor?

Die spezielle Anordnung der mit Pinsel oder Spachtel aufgetragenen Farben lässt die Bilder zu bewegten Reigen werden. Oft sind Weindlers Werke durch die Natur inspiriert und den Wandel der Jahreszeiten. Titel wie «Aufschwung», «Tanzen» oder «Kapriolen» verraten bereits etwas über die Bewegungsenergie, die in den Gemälden steckt und interessante Berührungspunkte zu den ebenfalls bewegt wirkenden Skulpturen Rusams bietet. ELKE ROEDER