Intendant Müller lässt Kunstwerke entfernen

28.1.2009, 00:00 Uhr
Intendant Müller lässt Kunstwerke entfernen

Der Titel des Gemäldes spricht Bände. «Was vor uns liegt, liegt hinter uns» war bis Sonntagmittag im Foyer des Stadttheaters zu sehen. Dann griffen Kunstmanager John Hammond und eine Mitarbeiterin zu. Zwei weitere Arbeiten des gebürtigen Fürthers Rubin Hirschbeck gingen ebenfalls zurück ins Depot. Alle drei Werke zeigen ausnahmslos nackte Menschen. Eine hagere Frau mit rotem Kopftuch reitet auf dem Rücken eines älteren Mannes; vor dem Paar kriecht ein weiterer Mann, rechts erkennt der Betrachter den Rumpf einer Frau. «Drei Frauen auf drei Beinen» zeigt eine Liegende, deren Brüste zu erkennen sind, eine Frau von vorn, eine von hinten. In «Die alten Männer» beharken sich zwei Greise im Faustkampf, eine Frau geht, sich an die Stirn tippend, vorbei.

Hirschbeck (40) war an der Nürnberger Akademie Meisterschüler. Er sagt: «Ich habe etwas Vergleichbares noch nicht erlebt.» Bei der Hängung der Bilder Ende vergangener Woche habe Hammond ihm gemeldet, dass sich ein Theaterbesucher über die drei Gemälde beschwert habe; Hausherr und Intendant Werner Müller habe daraufhin angeordnet, die Arbeiten «unverzüglich» abzuhängen. Immerhin habe sich ein Kompromiss finden lassen. Die Bilder sollten noch zur Vernissage am Sonntag hängen, danach nicht mehr.

«Ein sehr seltsamer Vorgang», kommentiert Hirschbeck. «Ich hätte große Lust gehabt, hinzuschmeißen, doch die Karten waren ja bereits gedruckt, die Vorbereitungen im vollen Gange. Im übrigen habe ich einen Vertrag mit der Art-Agency Hammond, nicht mit Müller.» Hammond nimmt Hirschbeck, dessen Aktarbeiten in hiesigen Kunstkreisen hohe Anerkennung genießen, aus seiner Kritik ausdrücklich heraus. «Er hat sich zu jeder Zeit fair und korrekt verhalten.» Gegen Müllers Anweisung habe auch er, Hammond, nichts ausrichten können. Zwei weitere Arbeiten aus dem Akt-Zyklus musste Hirschbeck schon im Vorfeld der Vernissage aussortieren.

«Ich bin erstaunt über die Zensurvorwürfe», entgegnet Werner Müller auf Anfrage der FN. «Hirschbeck muss wissen, dass die Gesamtverantwortung der Kunstausstellungen des Stadttheaters bei mir liegt.» Die beanstandeten Kunstwerke, so der Intendant, seien «keine Form von sexuell verfehlter oder pornografischer Darstellung. Ich finde nur, dass die quantitative Ausrichtung nicht dem entspricht, worum ich gebeten hatte». Soll offenbar heißen: Prüde sind wir nicht, doch so viel Nacktheit war nicht vorgesehen.

Den Vorfall mit dem angeblich empörten Theaterbesucher - Ende vergangener Woche lief noch das Kinderballett «Des Kaisers neue Kleider» - bestätigt Müller nicht. Er selbst sei es gewesen, der Hammond nach Durchsicht des Hirschbeck-Katalogs um Sensibilität und um den Austausch jener drei Bilder gebeten habe. Dass nun eine Wand im Theaterfoyer bis zur Finissage am 18. März weiß bleibt, sei nicht seine Absicht gewesen. Hirschbeck hätte «gern» alternative Gemälde dort hinhängen können, habe das jedoch nicht getan.

«Peinliche Provinzposse»

Prompt ist nun in Internet-Foren von «Kunstzensur» und «peinlicher Provinzposse» die Rede. Dass Hirschbeck - sein malerischer Stil ist ironisch, bissig, hintergründig, teils drastisch - nicht gerade als Fachmann für unverfängliche Toskana-Stillleben gilt, war auch dem Intendanten frühzeitig bewusst - sagt er. «Ich habe Hammonds Vorschlag, Hirschbeck in die Liste unserer Kunstausstellungen aufzunehmen, gern angenommen, denn seine Bilder haben mich sehr angesprochen». Dennoch stellt er klar: «Was hier ausgestellt wird, unterliegt meiner Entscheidung.» Bei der Vernissage am Sonntag war Müller nicht zugegen, ranghöchster Stadttheater-Repräsentant war Verwaltungschef Thomas Reher.

Hirschbeck über seine Kunst: «Die Aufgabe meiner Bilder ist es, zu kommunizieren. Ich will nicht provozieren, sondern ich male, was mich interessiert.» Von jenen Arbeiten, sie sein Interesse an blanken Menschenkörpern widerspiegeln, zeigt die Fürther Schau zwar immer noch einiges - doch nicht mehr alles. MATTHIAS BOLL