Irres Treiben auf dem Pulverfass

7.11.2016, 13:15 Uhr
Irres Treiben auf dem Pulverfass

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Drei altertümliche Stühle stehen um einen Tisch herum. Auf derselben Ebene, nur wenige Meter entfernt, Stuhlreihen für das Publikum. Auf der Damentoilette stehen schon die Blumensträuße bereit, die am Ende den jungen Darstellern, dem Regisseur Frank Landua und den Leitern des Jugendclubs überreicht werden.

Die eigentliche Bühne des Saals im Gasthof „Grauer Wolf“ wird nicht bespielt: Hier residiert die Technik, erhöht, sichtbar und den Raum und die Menschen, die darunter agieren, beherrschend. Und das passt gut zu Friedrich Dürrenmatts Komödie, in der das Wissen über die Welt, in der neue Erfindungen und physikalische Entdeckungen als Büchse der Pandora fungieren: Was einmal gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden, und niemand kann die Folgen absehen.

Das Stück eröffnet mit einem Tableau wie aus einem Fernsehkrimi: Der Gerichtsmediziner beugt sich über die Leiche einer jungen Frau, die Kriminalkommissarin im Trenchcoat versucht, sich ein Bild von der Lage zu machen, und verzweifelt zusehends. Der Mord fand in einem Irrenhaus statt, der Täter, ein Physiker, der sich für Einstein hält, ist nicht zurechnungsfähig, und zu allem Überfluss ist es bereits der zweite Mord an einer Krankenschwester – und es wird auch nicht der letzte bleiben.

Neue Dynamik

Dass die Rolle von Kommissar Voss weiblich besetzt ist, verändert die Dynamik der Szene: Zwischen ihr und „Newton“ entspinnt sich ein Gespräch zwischen Gefecht und Flirt, das für kurze Zeit darüber hinwegtäuscht, wie bitterernst diese Komödie ist. Auch der Physiker Möbius ermordet nach einer anrührenden Szene seine Krankenschwester, weil sie ihn für genau das Genie hält, das er ist. Aber „nur im Irrenhaus sind wir frei“, erklärt Möbius seinen beiden Physiker-Kollegen, als sie alle drei in einem riesigen Kinderbett mit Spieluhr sitzen und essen.

Keiner der drei ist wirklich wahnsinnig, aber zuletzt lassen sich die beiden Kollegen, Agenten ungenannter Großmächte, von Möbius überzeugen: Ihr Wissen ist zu gefährlich; sie müssen ihre Freiheit und ihren Ruf opfern, um die Menschheit vor der Zerstörung zu bewahren, die durch ihre Erfindungen möglich wäre.

Wenn die drei Physiker ihr Glas erheben, um auf die ermordeten Krankenschwestern zu trinken, während die Spieluhr ein Schlaflied dudelt, sieht es einen Moment lang so aus, als ließe sich die Büchse der Pandora doch noch einmal schließen. Aber es wäre keine (Dürrenmatt’sche) Komödie, wenn sie nicht die schlimmstmögliche Wendung nähme, und so triumphiert im – ein wenig zu lang geratenen – Schluss die wahnsinnige Leiterin des Irrenhauses über die verantwortungsbewussten Physiker. Die schönen schauspielerischen Leistungen des jungen Ensembles wurden mit warmem Applaus belohnt.

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