Kabarettist Egersdörfer sendet von zuhause

26.3.2020, 16:00 Uhr
Kabarettist Egersdörfer sendet von zuhause

© Natalie de Light

In den kurzen Gedankenflügen meldet sich "der Egers" zu Wort. Das ist kein Alter Ego, sondern eine Bühnenfigur, die das Granteln als Kunstform zelebriert und damit verblüfft, dass sich geistige Flachpässe aus ihrem Mund auf dem Weg ins Hirn der Zuhörer in Tiefsinn verwandeln.

Zwischen 15 Sekunden und vier Minuten lang sind die Spots, die Egersdörfer auf seiner Homepage, bei YouTube und Facebook hochlädt. Es geht zum Beispiel darum, dass in Zeiten der nötigen sozialen Isolation im eigenen Dunstkreis Langeweile droht. Abwechslung verschafft da die Suche nach der verschwundenen rechten Socke (blau).

Klingt auf Anhieb vielleicht nicht so ausfüllend, wird in diesem Fall aber zum befriedigenden Projekt mit Nebenwirkung. Es geht aber auch um das Betrachten von Raufasertapete oder um die aufrüttelnde Erkenntnis, wie oft sich Menschen in alten Filmen die Hand schütteln.

Tatsächlich funktioniert die Sache sogar im Dialog-Verfahren. Egers antwortet nämlich auf einen Facebook-Kommentar zu seinem Outfit. "Hast du um 12.38 Uhr noch deinen Schlafanzug an? Krass!", heißt es da. Und, ja, der Schlafanzug – blau mit heiteren Streifen in Weiß und liebevoll Schlafers genannt – ist immer dabei.


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"Das hat sich so ergeben", sagt Matthias Egersdörfer im FN-Gespräch am Telefon. "Das ist jetzt ja so eine Zeit, in der man auch am frühen Nachmittag noch seinen Schlafers anhat." Wobei es scheint, als habe der Hang zu tröstlicher Nachtwäsche, Bademantel oder Feinripp, die allesamt auf Egersdörfer-Plakaten oder CD-Covern zu bewundern sind, grundsätzlich tiefere Gründe. "Das signalisiert natürlich auch, dass man gerade keine Lust auf Welt hat." Und Ausdruck einer befreienden "Unkorrektheit" ist eine solche Gewandung obendrein.

Die kurzen Filme nimmt der 50-Jährige denkbar simpel in der heimischen Küche auf: "Da gibt’s so ein Gefäß, wo der Zucker drin ist, da leg‘ ich die Kamera dran und dann halt‘ ich mein Gesicht davor." Sind die Aufnahmen Service? Oder vielleicht doch eher Ventil in diesen Tagen? "Bestimmt beides", überlegt Egersdörfer. "Bei mir wie bei jedem anderen in meiner Zunft sind ja zunächst bis auf weiteres alle Auftritte verschoben beziehungsweise abgesagt worden." Dazu gehört auch eine "Kurzfilmnacht mit Zeugnissen aus dem digitalen Frühbarock", die er am Ostersamstag im Fürther Uferpalast vorgeführt hätte. Dort wäre er mit "ganz alten Geschichten" aufgekreuzt, die er lange vor YouTube aufgenommen hat.

 

Der Misanthrop mag den Abstand

 

Seine Bühnenfigur Egers ist Misanthrop durch und durch. Kommt so einer mit der Corona-Lage besser zurecht als ein Menschenfreund? Das bezweifelt Matthias Egersdörfer spontan zwar, obwohl er es schon für möglich hält, dass der Abstand, der derzeit eingehalten werden muss, jemandem, der "die Spezies eh nicht mag, leichter fällt". Er selbst kann es jedenfalls genießen, dass er auf der Bühne einer sein darf, der "sehr anders" ist.

Wie verbringt denn der Wahl-Fürther, der in Nürnberg zur Welt kam, im Moment seine Zeit? "Ich räume auf, gehe einmal am Tag an die Luft und wir kochen viel." Außerdem gebe es da eine Sammlung alter DVDs, die nun zum Einsatz kommen kann. Aufs Anschauen warten auch die kompletten Staffeln von "Cheers", einer US-Sitcom, die 1982 an den Start ging und die ein guter Freund ihm ausgeliehen hat. Bundesweit bekannt wurde Matthias Egersdörfer nicht zuletzt dank seiner Rolle als Leiter der Spurensicherung im Franken-"Tatort".

Wird er jetzt öfter auf der Straße angesprochen? "Ja", bestätigt er, die Reaktion der meisten Leute bestünde in der Regel aus zwei Wörtern und die hießen: "Tatort! Tatort?" Seine Antwort sei dann gerne: "Ja. Tatort. Tatort." Für ihn, der als Schüler Naturwissenschaften nicht zu den Lieblingsfächern zählte, ist die Rolle besonders: "Da geht es ja viel um Physik und Chemie, das hat mit mir nix zu tun." Er habe als Spuren-Experte unter anderem einmal eine Tür mit einem besonderen Magneten erklären müssen: "Das hab‘ ich wirklich nicht verstanden."

Für seine Kurzmitteilungen aus der heimischen Küche macht er sich übrigens vorher keine Notizen. "Nach dem Frühstück räum‘ ich auf, dann überleg‘ ich mir den Anfang und dann sprech‘ ich sofort in die Kamera rein." Wer da nicht zuschaltet, verpasst was.

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