Kandidaten auf Stimmenfang

23.2.2008, 00:00 Uhr
Kandidaten auf Stimmenfang

und zwar jeden Moment. Für Birgit Bayer-Tersch ist der gemeinsame Auftritt mit dem CSU-Ministerpräsidenten einer der Höhepunkte im Wahlkampf. Die Grüne Halle ist vollbesetzt, die Aufregung entsprechend groß. Die Anspannung braucht ein Ventil. Als der Musikzug Burgfarrnbach bayerisch-zünftig aufspielt, hakt sich die CSU-Kandidatin bei ihrer Wahlkampfhelferin Angelika Ledenko ein. In einem scheinbar unbeobachteten Moment wirbeln die beiden Frauen im Kreis wie auf einem Volksfest.

«Das muss auch mal sein», sagt Bayer-Tersch kurz darauf und lächelt. Lächeln ist wichtig. Lange bevor Beckstein vor der Grünen Halle vorfährt, hat sich die 47-Jährige im Eingangsbereich postiert, begrüßt die Gäste, schüttelt Hände. Und lächelt.

«Sie haben aber ein gutes Gedächtnis», freut sich eine Frau, als Bayer-Tersch ihr noch exakt benennen kann, wo sie sich das letzte Mal gesehen haben. Sich Namen und Gesichter einzuprägen, das hat die Diplom-Betriebswirtin in ihrer jahrzehntelangen Tätigkeit im Außendienst eines Pharmaunternehmens gelernt.

Dann kommt Beckstein. Der rote Teppich ist längst ausgerollt. Das Führungsteam der Fürther CSU holt den Ministerpräsidenten quasi an der Autotür ab. Beckstein steuert zielstrebig auf Bayer-Tersch zu. «Die Kandidatin zuerst», sagt er charmant - und: «Grüß’ Dich, Birgit.» Beim Einzug in die Grüne Halle rückt er eng an ihre Seite. Die Geste ist unmissverständlich: Seht her, diese Frau hat meine volle Unterstützung.

Angriff auf die SPD

Doch bevor Beckstein spricht, darf die Gastgeberin ans Rednerpult. Die Wahl rückt näher, Zeit zur Attacke auf den politischen Gegner. Vieles, mit dem sich die SPD brüste, sei schon in der Zeit von CSU-OB Wilhelm Wenning auf den Weg gebracht worden, will sie den Zuhörern klarmachen und nennt das Kulturforum, die Musikschule, die Besiedlung der Kasernenflächen und die Umwandlung des Grundig-Areals zur «Uferstadt».

Die Resonanz auf diese Form «christsozialer Aufklärungsarbeit» sei enorm, erzählt Bayer-Tersch. «Das müsst ihr den Bürgern doch sagen», hatte sie immer wieder gehört. «Jetzt sagen wir es eben.»

Szenenwechsel: Samstagmorgen, Rewe-Parkplatz an der Vacher Straße. Birgit Bayer-Tersch gesellt sich zum Info-Stand des CSU-Ortsverbands Hardhöhe. Zuvor hat sie sich bereits bei den Parteikollegen in Sack und in Stadeln blicken lassen. Dann ging es schnell nach Hause, um den Ehemann wenigstens bei einer Tasse Kaffee zu sehen. Jetzt verteilt die Kandidatin Infomaterial und kleine Geschenke an Passanten. Auf wildfremde Menschen zuzugehen, schreckt sie nicht. Auch das hat sie im Außendienst gelernt. «Wenn man die Leute freundlich anspricht, kommt es entsprechend zurück.»

«Wir Frauen können das»

Birgit Bayer-Tersch geht selbstbewusst auf die Fürther zu, verweist auf ihre zwölf Jahre Erfahrung als Stadträtin und betont, dass sie nun mehr Verantwortung übernehmen möchte. «Wir Frauen können das», sagt sie zu einer Mittvierzigerin. «Klar», erwidert die, «es gibt ja auch die Merkel.» Dann drückt ihr Bayer-Tersch noch ein Päckchen Tee und ein CSU-Faltblatt in die Hand. «Das können sie sich ja bei einer Tasse Tee in Ruhe durchlesen», gibt sie der Frau mit auf den Weg. Der Tee als Geschenk, das war ihre eigene Idee. Weil die «kleinen Dinge des Lebens immer ankommen».

Das Namensschild, das sie zu Beginn des Wahlkampfs trug, hat Birgit Bayer-Tersch längst abgelegt. Die Fürther kennen sie inzwischen. Die zahllosen Wahlplakate haben ihren Zweck erfüllt. Den enormen Bekanntheitsvorsprung des Amtsinhabers hat die Herausforderin verkürzt. Aber ob es am Ende reicht? Der Wahlkampf hat jedenfalls ihr Selbstvertrauen gestärkt. «Ich drück die Daumen.» «Viel Erfolg!» «Das schaffst Du!» Solche Sätze habe sie häufig gehört. «Offenbar», sagt sie, «habe ich größere Chancen als ich selber dachte.»

Am 2. März will es Bayer-Tersch unbedingt in die Stichwahl schaffen. Dann scheint alles möglich. Aber auch im Falle einer Niederlage hat sie fest vor, als Stadträtin weiter Verantwortung für Fürth zu tragen. Noch besser ginge das freilich als Oberbürgermeisterin. Sie wäre die erste in der tausendjährigen Geschichte der Stadt. JOHANNES ALLES

Thomas Jung ist unermüdlich. Immer wieder holt er Wahlprospekte der SPD nach, auch wenn die Finger längst eiskalt sind, und geht auf Passanten zu. Mit Fraktionschef Markus Braun nimmt er einen jungen Vater förmlich in die Zange. «Sie werden exklusiv bedient», muntert Jung den Mann auf. Streichhölzer und Kulis - «fürs richtige Kreuzla» - geben sich leicht aus der Hand, schon muss Nachschub bestellt werden.

Thomas Jung (46) liebt den Kontakt mit den Fürthern. «Sich den Menschen echt stellen, das ist schon so in mir drin», sagt er. Dafür hält er aus, dass ihm Wildfremde mit dem Zeigefinger in die Schulter pieken. Und genießt es, wenn Passanten im Vorübergehen rufen «Ja, Thomas, sowieso!» oder stehen bleiben, um eine halbe Ansprache zu halten. «Sie brauchen keine Reklame mehr», sagt einer, «wer soll da noch was bewerkstelligen?»

95 Prozent positive Reaktionen erfährt der amtierende Oberbürgermeister laut eigener Aussage im Wahlkampf. Er hat ein gutes Gefühl für den 2. März - und bleibt dennoch vorsichtig. Bloß nicht selbstherrlich wirken und werden: «Die CSU ist in jeder bayerischen Großstadt eine Macht.»

Dabei kann Jung die Bilanz aus sechs Jahren wie ein Mantra herunterbeten: Südstadtpark und aufpolierte Innenstadt, Uferpromenade und Thermalbad, jüngste bayerische Großstadt und wachsende Einwohnerzahl, Industrieansiedlungen, aufstrebende Wirtschaft und sinkende Arbeitslosigkeit, ein Haushalt ohne Neuverschuldung, Wissenschaftsstadt Fürth.

Routinierter als 2002

Wer hätte das gedacht? 2002 hatte der promovierte Jurist, der 1984 in den Fürther Stadtrat gewählt worden und 1994 in den bayerischen Landtag eingezogen war, den Kampf gegen OB Wilhelm Wenning aufgenommen. Und gewonnen. Eine Ochsentour, die er diesmal gelassener und routinierter angeht. Aber mit dem Ehrgeiz, das Ergebnis von 2002 zu steigern.

Mittwochnachmittag, die VdK-Senioren treffen sich in der Pilsstube «Hadla» im Eigenen Heim. Im Anzug, mit gestreifter Krawatte steht Thomas Jung vor rund 30 älteren Damen und einigen Herren. «Heute bin ich in eigener Sache da», sagt Jung. Und während er scherzt - «wir sind im Rathaus leider nicht für die Rente zuständig» - nippt das Publikum Apfelschorle und schwarzen Tee und lässt sich Nussschnecken bringen.

Was drückt, sind die kleinen Renten und die Angst, dass eine seniorengerechte Wohnung möglicherweise unbezahlbar ist. Für Empörung sorgen Radler und freilaufende Hunde am Friedhof sowie die Grabgebühren. Um bessere Bänke in der Fußgängerzone bitten die Senioren auch: «Wir müssen uns doch auch mal hinsetzen.»

Thomas Jung hört zu, pariert geschickt und flicht Versprechen ein. Dass der Seniorentanz bleibt. Dass sich VdK, Rotes Kreuz, die Awo und die Seniorenbeauftragte um die Belange der Älteren kümmern werden. Auch eine Anekdote darf nicht fehlen: Die alte Dame auf dem Wahlplakat sei nicht seine Mutter, sagt Jung. Sondern eine rüstige 96-Jährige aus dem Sophienheim. «Meine Mutter ist 69, die wäre beleidigt», scherzt er.

Den Bart verloren

Der Oberbürgermeister hat im Amt seinen Bart verloren und Selbstsicherheit gewonnen, er macht eine gute Figur beim Fassanstich zur Kärwa und bei den Reden zur Verleihung des Kulturpreises oder zum 1000-jährigen Jubiläum. In sechs Jahren hat er Fürth intensiver kennen gelernt, die Ortsteile beispielsweise: Beim Bürgergespräch in Unterfarrnbach ist das frühere Grimmsgütlein vollbesetzt, nach dem Wahlspot («Kino - das ist neu bei der SPD») kommen die Ortsumgehung und parkende Lkw auf den Tisch, der Wunsch nach Straßenerneuerung und erneutem Silvesterspektakel 2008 wird laut. Dass die Schule erhalten wird und ein neues Feuerwehrhaus gebaut werden könnte, sagt Jung den Unterfarrnbachern zu. Und er wettet einen Kasten Bier «für jeden, der mir etwas Sinnvolles sagt, was man in Fürth nicht kriegt».

Ein volksnaher Lokalpatriot, gut informiert und längst nicht abgehoben. «Ich bin heilfroh, dass ich nur ein einziges Konfliktthema hatte», sagt Jung. Die Ikea-Ansiedlung, die letztlich glückte. Ach ja, das chinesische Pflaster hatte auch kurzfristig für Herzstolperer gesorgt. Aber «eigentlich ist alles ganz gut gelaufen».

Und wenn er - ohne vorzugreifen - an die nächste Amtszeit denkt? «Am Fleiß wird’s nicht fehlen», verspricht Jung und wünscht sich das Quäntchen Glück dazu, das die vergangenen Jahre begleitet hat. Der Tag nach der Wahl wäre . . .? «Ein regulärer Arbeitstag», sagt Jung trocken. Auf seiner Liste stehen 40 Projekte, die er umsetzen will. GABI PFEIFFER