Vergeblich gehofft

Kirchweih-Absage: Viele Fürther Schausteller stehen am Abgrund

30.8.2021, 06:00 Uhr
Kirchweih-Absage: Viele Fürther Schausteller stehen am Abgrund

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Hat ihn die Absage der Fürther Kirchweih überrascht? Oder hat er eigentlich schon damit gerechnet? Bevor Karussellbetreiber Joachim Ulrich antwortet, atmet er erst einmal tief durch. "Aufgrund der steigenden Inzidenzwerte war man schon vorgewarnt, aber wir haben trotzdem gehofft – leider umsonst . . ."

Seit 19. August ist es klar: Die Michaelis-Kirchweih fällt wieder aus. Auch eine abgespeckte Ersatzveranstaltung wie das Herbstvergnügen 2020 wird es heuer wegen der strikten Pandemie-Auflagen nicht geben.

Für die Schausteller ist das bitter, für viele sogar existenzbedrohend. Auch Ulrich macht sich Sorgen: "Die Luft wird dünner, irgendwann sind wir erstickt." Er stammt aus einer traditionsreichen Fürther Schaustellerfamilie, seinen Betrieb gibt es seit über 100 Jahren. Gegründet haben ihn seine Urgroßeltern, dann ging er von einer Generation an die nächste über. Ulrich hat zwei Kinder-Karussells. Das kleinere war 2021 zweimal im Einsatz, das große gar nicht. Da bleibe zum Leben einfach zu wenig. Trotzdem beschäftigt er seine beiden Mitarbeiter weiterhin. Wenn das Geschäft wieder anzieht, ist er auf ihre Arbeitskraft angewiesen.

"Was mich ärgert ist die Ungleichbehandlung. Obwohl sich bei uns das meiste im Freien abspielt, gelten Regeln wie in Innenräumen. Dabei geht es auf einer Kirchweih auch nicht viel anders zu als in einer belebten Fußgängerzone."

Regeln nicht nachvollziehbar

Die Regeln kann auch Helmut Dölle, Fürther Sprecher des Süddeutschen Schaustellerverbands, nicht nachvollziehen. "Wenn die Mannschaft von Greuther Fürth vorgestellt wird, drängen sich 1000 Leute auf der Freiheit. Aber wir hätten die vorgesehenen Areale auf der großen und der kleinen Freiheit sowie dem Hallplatz einzäunen müssen. Und wir hätten nur eine Person pro zehn Quadratmeter reinlassen dürfen. Damit kann man kein Geld verdienen."


Das Herbstvergnügen kam 2020 gut an.


Viele seiner Kollegen stünden am Abgrund. "Sie leben von der Hand in den Mund. Und wenn sie mich fragen, wie es weitergehen soll, muss ich sagen: Ich weiß es nicht!" Manche können noch von der Substanz leben, andere müssen nach Notlösungen suchen, um beruflich zu überleben. Sie nehmen Kredite auf oder suchen sich einen Nebenjob.

Einen anderen Weg eingeschlagen hat Michael Drliczek, um sich, seine Familie und den Betrieb über Wasser zu halten. Er hat sein Riesenrad seit Ferienbeginn am Brombachsee stehen. Hier kann er erstmals seit dem Fürther Herbstvergnügen einen Umsatz verbuchen. "Und es tut der Seele gut, unser Geschäft zu betreiben", sagt er. Die Resonanz ist gut – auch wenn es anders ist, allein im Seenland zu sein statt auf der stimmungsvollen Fürther Kirchweih.

Deren Flair beschwört auch Nicole Grauberger, die den legendären Baggersstand bewirtschaftet. "Mir blutet nach der Absage das Herz." Eigentlich mache es den Charme der Fürther Kirchweih aus, dass sie im Herzen der Stadt gefeiert wird, in der Pandemie aber sei es ein Nachteil, dass es keinen Festplatz gibt. "Denn dann hätte man mehr Platz für Besucher gehabt", sagt sie mit Blick auf Nürnberg, wo der Freizeitpark NürnBärLand als Ersatzveranstaltung für das Volksfest durchaus erfolgreich läuft.

In einem sind sich die Schausteller und Marktkaufleute einig: Am Willen der Stadtverwaltung hat es nicht gefehlt. Man hätte den Schaustellern die Sondernutzungsgebühren erlassen und Kosten für Sicherheitsdienste übernommen. Aber den Verantwortlichen seien durch die strengen staatlichen Vorgaben die Hände gebunden gewesen.

Trotz aller Enttäuschung über die abgesagte Kirchweih hoffen die Schausteller, Imbissinhaber und Marktkaufleute jetzt auf den Weihnachtsmarkt. Märkte im Freien, die keinen Volksfestcharakter, etwa durch das Aufstellen von Festzelten, haben, sind erlaubt. "Wenn das auch nicht klappt", so Dölle, "sehe ich zappenduster für die Branche. Dann gehen bei vielen die Lichter aus."

Verwandte Themen