Klezmer Festival: Sehnsuchtsklänge und leise Töne

10.3.2020, 19:00 Uhr
Klezmer Festival: Sehnsuchtsklänge und leise Töne

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Klezmermusik ist sehr vielfältig und kann auch erlernt werden, betonte Christian Dawid beim Abschlusskonzert des Workshops Klezmermusik in der Aula des Heinrich-Schliemann-Gymnasiums. Und genau das war das Ziel der Teilnehmer an der zweitägigen Veranstaltung für Blasinstrumente, Streichinstrumente, Begleitinstrumente, Schlagzeug und Percussion sowie Jiddisches Lied. Eine Teilnehmerin aus der Gruppe der Streicher beschloss spontan am Abend, eine Klezmergruppe zu gründen. Das Konzert wurde zu einem musikalischen Fest, das die Zuhörern mit begeistertem Beifall aufnahmen.

Das Orchester aller Teilnehmer eröffnete den musikalischen Reigen stimmungsvoll mit A-capella-Gesang, in den die Rhythmusinstrumente und nach und nach alle Instrumente einstimmten. Die Vielfalt der Klezmermusik spiegelte sich auch in der ganz verschiedenen Besetzung der einzelnen Bands wider. Die Bulgar Band von Richie Barshay, geprägt vom Klang der Tuba und den Klarinetten, steigerte sich vom gemächlichen Anfangstempo in flotte Klänge. Das kleinste Ensemble, die Zhok Band von Michael Winograd mit drei Klarinetten und Akkordeon, spielte einen Schreittanz – sehnsüchtige Klänge in einem speziellen Gewand.

Dann enterten die sechs Sängerinnen aus dem Kurs Jiddisches Lied von Sasha Lurje die Bühne mit einem Lied von Abschied und Sehnsucht mit mehrstimmigem Gesang in klagendem Moll. Die Honga Band von Jake Shulman-Ment präsentierte mit Violinen, Cello und Drehleier verspielte Tanzrhythmen. Eine neue Klangwelt eröffnete Dan Blocksberg mit Querflöte, Posaune und Violinen. Ein klassisches Beispiel für Klezmermusik bot Bert Vos mit der Band Terkisher mit Violinen, Gitarre und Trommel – fetzige Rhythmen.

Zum Finale traten dann Orchester und Chor gemeinsam auf mit einem Lied, bei dem es ums Geld geht: Je mehr bezahlt wird, desto besser spielen die Musiker. Stimmig der mehrmalige Wechsel von Instrumentalisten und Sängerinnen, Lautstärke und Tempo steigern sich, eine perfekte Nummer! Und urplötzlich formierte sich dann noch ein buntes Ensemble auf der Bühne, das eine Session inszenierte, in der die Musiker immer wieder neue Ansätze zum Weiterspielen erfinden, Improvisation, Perfektion, Klangvielfalt – die Klezmorim in ihrem Element im Schtetl Fürth!

 

Es ist ein Einzug nach Maß, durch den schmalen Kirchengang, flankiert von rappelvollen Holzbänken. Vorweg geht der gebürtige Kroate Mario Korunic (Geige), gefolgt von Christoph Peters (Gitarre) und Simon Ackermann (Kontrabass) und dem aus dem russischen Tscheljabinsk stammenden Konstantin Ischenko (Akkordeon). Sie spielen erst einmal ganz leise. Im Chor angekommen animieren sie die Besucher zum Mitsummen und sogleich hebt ein Raunen an, das den ganzen Kirchenraum von Peter und Paul in Poppenreuth füllt. Genauso plötzlich ist Schluss mit leisen Tönen und es beginnt ein furioses Spiel, fetzig und dramatisch, wie man es von Balkanmusik kennt.

Gitanes Blondes nennen sich die vier aus München, veritable Profis mit klassischer Musikausbildung. Gitanes Blondes klingt nach französischen Kippen, französisch ist hier nichts außer dem Namen, die Anspielung geht in eine andere Richtung: "Blonde Zigeuner" heißt das übersetzt, doch außer Ischenko ist hier niemand blond und auch mutmaßlich kein Sinti oder Roma.

Auch spielen sie volkstümliche Musik aus Israel, Irland, Mazedonien, Palästina, Georgien, Aserbeidschan, "Musik aus politisch instabilen Gegenden", wie Frontmann Mario Korunic sagt, aber nur wenige Klezmerstücke. Das ist den Zuschauern egal – wunderbare Soli, perfektes Zusammenspiel, schöne Spannungsbögen über die gesamte Spielzeit und viel musikalischen Humor. Zwischen den Volksweisen werden bekannte Klassiker wie der Radetzkymarsch kurz angespielt. Weiterhin: ein sehr schöner Streifzug durch die volkstümliche Musik, mal wilde Tänze vom Balkan, mal melancholische Weisen aus Irland. Rudi Pfann vom Poppenreuther Verein Dorfgestaltung hatte die Band an Silvester gehört und vom Fleck weg engagiert. Das Publikum – knapp 300 Besucher aus halb Mittelfranken angereist – vertraute auf dessen bewährten Geschmack, und die vier Vollblutmusiker waren den hohen Erwartungen locker gewachsen.

 

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