Knochen, Kunst und Kosmetik aus Fürther Hinterhöfen

22.7.2019, 16:00 Uhr
Knochen, Kunst und Kosmetik aus Fürther Hinterhöfen

© Peter Budig

Was macht Fürth so lebenswert? Die Menschen, die Hinterhöfe und besondere "Events" wie der Grafflmarkt. Alles in einem bietet der Hofflohmarkt, der am Wochenende in der ganzen Innenstadt Besucher anlockte.

Zu den verborgenen Schönheiten Fürths gehören idyllische Höfe. Hier fand seit der Industrialisierung viel Handwerk, Gewerbe und Kleinindustrie Platz. Im 20. Jahrhundert verdrängten Wohnungen die Werkstätten. Und die Bewohner sind kreativ genug, um ihre Quartiere schick zu begrünen und verschönern. Das konnte man nun zwanglos beim Hofflohmarkt kennenlernen.

Topseller bei Janine Block im Hof der Jakobinenstraße 8 ist ein afrikanisches Spielzeug: Ein verzierter armdicker, hohler Ast mit grünen getrockneten Oliven in den Innenfächern. Eine Art afrikanisches Mensch-ärgere-dich-nicht, das am Samstag auf neue Besitzer wartet. Freundin Chiara hat ihre digitale WLAN-Box mit Neonbeleuchtung zum Verkauf dabei. Ein Gast aus Schottland hilft beim Vertriebsgespräch.

Ein paar Schritte entfernt lebt Andrea Will in der Nürnberger Straße 11. Geschirr und Gläser warten auf Kundschaft, Mischling Lupu betrachtet vom Schoß aus das Geschehen. Frauchen hat nicht nur "Graffl" sondern wertvollen Retroschick zu bieten: Ihr "Consul Quattro Set" in orange, eine stapelbare funktionale Tischdekoration aus den Siebzigern bietet Feuerzeug und mehrere Aschenbecher in einem. "Gibt’s auf eBay für 35 Euro" hat sie recherchiert. Auf 20 könnte man sich einigen.

Yannick betreibt in der Hirschenstraße 31 ein Tattoo-Studio, seine Berliner Lebensgefährtin bietet Kosmetik an. Yannick ist, als Künstler, fasziniert von Knochen- und Skelett-Strukturen. Er sammelt deshalb auch Tierknochen und Geweihe, und ein Teil davon könnte weg.

Fast noch spannender als die feilgebotenen Waren sind die Hinterhof-Geschichten, die es kostenlos dazu gibt. Den Hof zur Blumenstraße 13 hat Martina Narius-Preuß in ein grünes Paradies verwandelt: In ihrer Wohnung befand sich einst eine Buchbinderei, aus der leerstehenden Werkstatt hat das Paar mit viel Eigenleistung ein schickes ebenerdiges Zuhause hergestellt. Eine türkisfarbene Deckenlampe ist ihr Angebot des Tages.

Bei über 30 Grad am Samstagnachmittag trifft man mehr Händler als Flaneure. Reni Ernst und Michael Müller, aus Nürnberg in die Blumenstraße gezogen, sind trotzdem unter-wegs und fündig geworden: "Für unsere große grüne Terrasse brauchen wir stets neue Übertöpfe", sagt Reni Ernst und zeigt zwei Behälter aus Messing, für fünf Euro haben sie die Besitzerin gewechselt. Schauplatz ist die Blumenstraße 29, die über einen besonders langen Hinterhof verfügt. Hier hat der Großvater von Alex Käppner eine Firma für Verpackungsmaterial gegründet. Um 1931 waren Kälberstricke, Kordeln, Wurstgarn und Ähnliches gefragt.

Der Vater begann bereits, Verpackungsmaschinen anzubieten. Alex Käppner, der Maschinenbauer gelernt hat, war mit seinem Maschinenhandel so erfolgreich, dass er ihn nach Veitsbronn ausgelagert hat. Der Hinterhof ist nun ein Ruheplatz. Sein Graffl-Top-Angebot: Zwei Sets Golfschläger – eines für Damen, eines für Herren, von den Eltern geerbt.

Die alte Methodistenkirche in der Blumenstraße 33, in der sich seit vielen Jahren das Atelier der Künstlerin Anette du Mont befindet, gehört zu Fürths eindrucksvollsten Hinterhof-Locations. Du Mont bietet eigene Bilder an, während ihr Nachbar für goldenen Modeschmuck und antikes Porzellan Interessenten sucht.

In der Theaterstraße 24 wiederum wohnt Medizintechnik-Professor Stefan Sesselmann mit seiner Frau Johanna und den beiden kleinen Töchtern. Sein Verkauf – viele Schmöker – läuft stotternd, er genießt die freie Zeit und liest ein neues Buch von Jonas Jonasson. Die Familie hat sich aus Kulmbach und Freiberg in Sachsen zusammengefunden und kann sich nichts Schöneres vorstellen, als Wahlfürther zu sein. Der Nachbar Michael Schüll betreibt hier sein Atelier für Videokunst und "Gegenwartsarchäologie". Sabine Wiedner kennt in Fürth jeder, der sich für Yoga interessiert. Sie will die Zelte abbrechen, "Fürth ist nicht mehr meine Stadt, es ist zu hektisch-städtisch geworden, ich will aufs Land." Sie verkauft viel Material aus dem Studio in der Moststraße, Matten, Bücher, Filme . . .

Der Rednitzhof 10, Paradies jenseits der Löhe-Straße, ist das Reich des 75-jährigen Peter Stoll, Fürths letzter Berufsfischer. Seit 1919 war der Handel in Familienbesitz, 2012 hat er aufgehört: "Ich habe zwei Töchter, Fisch-Fachhandel ist brutale Knochenarbeit", zieht er Bilanz. Seine Grafflangebote hat er kurz nach 16 Uhr schon weggeräumt, dafür zeigt er gern sein privates Paradies. Zwei Häuser für die Familie und ein Garten mit Hof direkt am Fluss.

Hier genießt er den Ruhestand, besitzt Fischereirechte, hört die Rednitz plätschern. Es ist ein Lebensabend, friedvoll und genussvoll zugleich. Dabei ist Peter Stoll stets bescheiden geblieben.

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