Kofferfabrik: Junge Wilde gaben Vollgas

12.8.2019, 14:00 Uhr
Kofferfabrik: Junge Wilde gaben Vollgas

© Tim Händel

Der erste hat es immer schwer. Nur wenige Zuhörer haben sich eingefunden, es ist noch viel zu früh am Tag, die Leute müssen zunächst in die Gänge kommen.

Also volle Power? Nein, mit dem emotionalen Rückwärtsgang voraus! Unter dem masochistischen Namen "Reinhard weint, wenn er schreit" klimpert der Barde Reinhard. Weint mit tiefer verhangener Stimme und gelegentlicher Unterstützung zweier Mitleidender sinistre Weisen über die Vergeblichkeit des Lebens. Woran erinnert bloß der Name? Ach ja, an den Struwwelpeter und die letzte Geschichte vom fliegenden Robert, den der Sturm davonträgt. "Keiner hört ihn, wenn er schreit", heißt es da. Das Trio "Goodbye Loona" verpackt seinen Weltschmerz geschickter und melodiöser.

Der dreifache harmonisch fein aufeinander abgestimmte Gesang von Marina Porfirio sowie von Philipp Kroll und Philipp Stenger, die sich gelegentlich in komische Falsetthöhen versteigen, sowie regentröpfelnde Klaviertöne und Gitarrenakkorde evozieren ein wohliges Seelenweh und Herzeleid.

Kofferfabrik: Junge Wilde gaben Vollgas

© Tim Händel

Die perfekte Musik fürs Autoradio auf langer Nachtfahrt oder für einsame Stunden bei Kerzenlicht, in denen man seine zerrissenen Liebesbriefe überarbeitet.

Hypnotische Monotonie

Jung? Ja. Wild? Bisher reichlich zahm. Das ändert sich mit dem Auftritt von "Sky blue Skin". Himmelblaue Haut tragen nur die indischen Götter. "Sky blue Skin" bringen allerdings keinen Raga, sondern Düsterrock. Statt einer Gitarre grummelt und dominiert der E-Bass über Keyboard und dumpfem Schlagwerk.

Eine hypnotische Monotonie geht von dieser Musik und dem düsteren Gesang ihrer Frontfrau Olivia Solner aus, die ihre Düsternis zweifellos aus der Graberde von "Velvet Underground" bezieht.

Hallo Koffer, wo bleibt das Positive? Endlich schlägt die Stunde des "Sunday Morning Orchestra", das hört man sich auch gern am Samstagabend an. Neue Songs, dieselbe bewährte Rezeptur: Während Oliver Zoglauer seinen Kontrabass liebkost, umspielt ihn und das Publikum Maleen Schulze-Kallenbach mit herrlich verruchter Laszivität in ihrer sicheren Stimme, die sich sowohl in lockenden Niederungen wie überraschenden Gipfelstürmen artikuliert. Barjazz-Musik für die gelockerten Momente.

Solchermaßen durch Bühnenpräsenz und ansteckende Fröhlichkeit angeheizt, hat das Trio "Nobutthefrog" leichtes Spiel: Mit Gitarre, Kontrabass, Fiedel und Mandoline streuen die Quakfrösche einen gepfefferten Folk ins Subkulturbiotop, dem auch das "Sunday Morning Orchestra" nicht widerstehen kann. So kommt es zur kurzfristigen Fusion zum "Sunday Morning Frog" mit einer steinerweichenden Hymne auf den Klimaschutz und Mutter Erde.

Als Rausschmeißer setzt dann die Truppe "Oporto" aus Bamberg mit ihrem verstärkten Hillbilly- und Barnstorm-Sound inklusive kratzbürstiger Fiedel den fulminanten Schlusspunkt.

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