Last des Lernens

24.6.2014, 06:00 Uhr
Last des Lernens

© Edgar Pfrogner

„Mathe!“, rufen die Gymnasiastinnen Christina (17), Leonie (17) und Laura (16) wie aus einem Mund und verziehen dabei fast schon angeekelt ihre Gesichter. Die Frage lautete: Welches Fach ist am schwersten zu lernen? „Da ist die Überwindung einfach am größten“, gibt Leonie zu, ihre Freundinnen nicken mit Nachdruck.

Davon abgesehen sind die Mädels aber richtig motivierte Schülerinnen. „Ich glaube, wir machen schon mehr als andere“, schätzt Laura. Da alle drei ähnliche Lerntypen sind, pauken sie auch gemeinsam. Am liebsten in Lümmel-Positionen: Auf dem Sofa, im Bett oder auf dem Boden — überall, nur nicht am Schreibtisch. Doch bequeme Plätze und fleißige Freundinnen reichen nicht aus, um eine gute Note zu schreiben. Leonies Tipp: sich früh genug einen Überblick verschaffen, bloß nicht zu spät anfangen.

Last des Lernens

© Edgar Pfrogner

Ein Hinweis, den sich Alexis vermutlich nicht zu Herzen nehmen wird. Der 20-jährige Skater gibt ganz offen zu: „Ich habe nie gerne gelernt.“ Nach zahlreichen Schulwechseln war er zuletzt an der Wirtschaftsschule, nun macht er eine Ausbildung zur Fachkraft im Gastgewerbe. Auch hier muss er die Schulbank drücken — daran führt kein Weg vorbei. Den Stoff findet er im Vergleich zu früher „nicht mehr so unnütz“, denn jetzt eignet er sich etwas an, „das ich in der Praxis wirklich brauchen kann.“

Bei ihm ist die Schulzeit schon etwas länger her: Rentner Karl-Wilhelm Wollenhaupt erinnert sich gerne daran zurück, vor allem an das Fach Heimatkunde. Das unterrichtete Wollenhaupts Lehrer nämlich nicht frontal im Klassenzimmer, sondern draußen, direkt vor Ort. „Das hat mich geprägt“, betont der ehemalige Sozialarbeiter. Vergessen hat er dank dieser Methode kaum etwas. Noch heute könnte er in seiner Heimat als Stadtführer arbeiten, scherzt der 67-Jährige.

Heutzutage wird kaum noch so unterrichtet; was Wollenhaupt sehr bedauert, war die Art und Weise bei ihm doch so wirksam. Neben dem fehlenden Bezug zur Praxis kann er inzwischen oft eine große Distanz zwischen Lehrern und deren Schülern ausmachen. Sein Appell an den Nachwuchs: „Wer einen guten Draht zu seiner Lehrkraft hat, dem fällt das Lernen oft leichter.“

Last des Lernens

© Edgar Pfrogner

Wie anstrengend es sein kann, tagelang am Schreibtisch zu sitzen und sich Fakten ins Hirn prügeln zu müssen, kann sich Simon (5) noch gar nicht ausmalen. Ihn interessiert im Moment nur das leckere Eis, das er schleckt. So unbekümmert soll er auch noch eine Weile leben können, dafür sorgte seine Mutter gemeinsam mit seinen Erziehern: Simon wird im August sechs Jahre alt, eingeschult wird er jedoch erst nächstes Jahr — manche Dinge fallen ihm noch schwer, deshalb will ihm seine Mutter Zeit geben. Sie versteht das zusätzliche Kindergartenjahr keinesfalls als verlorene Monate. „Den Lernstress bekommt er trotzdem früh genug mit.“

Lernstress — dieser Begriff kommt in Jonas’ Wortschatz vermutlich gar nicht vor. Der 16-jährige Gymnasiast scheint völlig entspannt zu sein, wenn es ums Pauken geht. Hin und wieder auch zum Leidwesen seiner Eltern, die ihn manchmal erinnern müssen, etwas für die Schule zu tun, oder ihn sicherheitshalber vor der Klausur abfragen. „Ich lerne schon, aber eben nur das Nötigste“, gesteht Jonas, dessen Vater übrigens Lehrer ist.

Mutter Michaela Ehrentraut scheint die Einstellung ihres Sohnes etwas nervös zu machen, deshalb griff sie vor kurzem zu einem sanften Druckmittel: Jonas bekam einen Fernseher für sein Zimmer, „der sofort wieder weg kommt, wenn es in der Schule nicht gut läuft“.

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