Luisenbad hat ausgedient

10.2.2011, 13:00 Uhr
Luisenbad hat ausgedient

© Hans-Joachim Winckler

Als Georg-Maria Weißenborn (53) das Luisenbad zum ersten Mal betrat, wusste er noch nicht, dass aus ihm einmal ein Malermeister werden würde. Er war damals ein kleiner Bub, seine Oma hielt ihn an der Hand. Es war eine Großmutter, wie sie Anfang der sechziger Jahre viele Fürther hatten: eine, die auf die Enkelkinder achtgab und gerne ins Kurbad ging. Den Enkelsohn nahm sie mit.

„Dort gab es Rückenmassagen und medizinische Bäder — für die Frauen im Erdgeschoss, für die Männer im ersten Stock“, erinnert sich Weißenborn. Für die Kinder, die warten mussten, hielten die Bademeisterinnen „Micky-Maus-Hefte und was zum Naschen“ bereit. Im Luisenbad war also auch für den kleinen Jungen die Welt völlig in Ordnung.

Noch heute fühlt sich Weißenborn wohl in der ehemaligen Badeanstalt, die sich zur Physiopraxis mit Bewegungsbecken gewandelt hat und in der doch die Zeit stehen geblieben zu sein scheint — irgendwann in den siebziger Jahren. Grüne Wannen gibt es hier und orangefarbene Umkleidekabinen, dazu alte Holzbetten, auf denen man sich ausruhen kann, und in der Ecke eine Waage, die das Gewicht nur demjenigen verrät, der zehn Pfennig einwirft. Das hat doch Charme, findet Weißenborn, der als Erwachsener häufig den Weg in die Fußgängerzone gesucht hat, für eine Massage oder Wassergymnastik. Er ist betrübt, seitdem er weiß, dass das Luisenbad, wie er es kennt, vor dem Aus steht. „Es ist doch ein Stück Fürth.“

Ein Stück Heimat ist das Luisenbad auch für Claudiu Popescu, den Inhaber, geworden. Doch am Abschied, sagt der 38-Jährige, führe leider kein Weg vorbei. Zu hoch seien die Energiekosten gestiegen, bei einer Fläche von 480 Quadratmetern mache sich das schmerzhaft bemerkbar. Schließlich müsse es in den Räumen wohlig warm sein, das Bewegungsbecken rund um die Uhr beheizt werden.

Das Problem sei, dass das Kurbad nicht mehr in die Zeit passe: „Früher konnten die Ärzte verschreiben, was die Patienten brauchten, aber nach den ganzen Gesundheitsreformen werden medizinische Bäder nur noch selten verordnet.“ Popescu verdient sein Geld heute vor allem mit Massagen und Krankengymnastik — die Wannen bleiben leer. „Das war eine andere Welt damals“, sagt er, während sein Blick über den Empfangstresen streift.

Warten auf eine Wanne

Als Popescu, der 1987 aus Rumänien nach Deutschland gekommen war, 1992 als Praktikant im Luisenbad anfing, gehörte das Kurbad bereits seit den dreißiger Jahren der Familie Weitzel. Mehrere Fachkräfte waren angestellt, der Betrieb lief bestens, wie auch das zweite Kurbad in Fürth, das Wilhelmsbad, das sich heute in der Königswarterstraße befindet. Statt Wannen findet man dort längst Reha-Geräte. Um sich zu halten, musste man modernisieren, sagt Bernd Kropp, dessen Großvater das 1926 gegründete Wilhelmsbad 1930 übernommen hatte. Damals hatte es seinen Platz noch in der Königstraße.

Zu der Zeit wurden die beiden Kurbäder dringend benötigt in Fürth, und zwar vorrangig deswegen, weil es dort Wannen und warmes Wasser gab. Bis in die sechziger Jahre hinein hatten die meisten Familien, die in den Altbauten lebten, keine eigenen Bäder. „Jedes Jahr, wenn die Fluß-Badesaison zu Ende geht, beginnt wieder der Andrang auf die städtischen und privaten Wannen- und Brausebäder“, hieß es in einem Werbetext für die privaten Badeanstalten im Fürther Stadtanzeiger im Jahr 1950.

„In Fürth war das Baden besonders wichtig, weil viele bei der Arbeit mit Quecksilber in Berührung kamen“, sagt Stadtheimatpfleger Alexander Mayer, der sich noch daran erinnert, dass auch sein Vater eines der drei städtischen Wannen- und Brausebäder aufsuchte. Sie befanden sich in der Hirschenstraße, neben der Frauenschule und nahe des Geleitshauses am Grünen Markt. Auch Malermeister Georg-Maria Weißenborn wurde als Junge von seinen Eltern einmal pro Woche zum Waschen dorthin geschickt. „Ich hab’ 15 Pfennig in die Händ’ gekriegt und lief dann los, oft zusammen mit meinen Kumpels. In die Wanne kam eine Tablette, und dann hat es gesprudelt und nach Fichtennadeln gerochen“, erinnert er sich. „Das war ein Erlebnis!“

Laut Stadtanzeiger gab es, wenn man die städtischen und die privaten Einrichtungen zusammennahm, gerade einmal 21 Wannen — für 100000 Fürther. Wer nicht Schlange stehen wollte, musste mit den „Brausen“, den Duschen, vorliebnehmen. In den siebziger Jahren sank die Bedeutung der öffentlichen Reinigungsbäder. Das Kurbad Luisenbad wollte mit der Zeit gehen und weihte 1973 mit „heilgymnastischem Wasserballett“ das neue Bewegungsbecken ein, auch Ärzte und Vertreter der Krankenkassen waren dabei.

„Manche Patienten kommen heute rein und sagen: Hier sieht es aber alt aus“, erzählt Popescu. „Ich antworte dann: ,Ja, so sah es schon aus, als ich hier anfing. Das ist das Luisenbad.“ Im April soll es für Popescu in der Mathildenstraße weitergehen. Er hat neue Praxisräume gefunden, ohne Wannen und Becken. Was aus dem Luisenbad wird, ist offen. Der Vermieter, Andreas Weitzel, könnte sich ein „Wellness-Center“ gut vorstellen. Doch noch gibt es keine Interessenten.

Mehr über die Wannen- und Brausebäder in Fürth erfährt man bei einem Stadtrundgang mit dem Titel "Spiegel, Bier und Brausebad", den der Verein Geschichte für alle am Sonntag, 13. Februar, anbietet (Dauer: eineinhalb bis zwei Stunden). Treffpunkt ist um 14 Uhr am Kohlenmarkt. Kosten: 7 Euro, ermäßigt 6 Euro.

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