Manchmal wird der Garten zum Büro

10.8.2013, 16:00 Uhr
Manchmal wird der Garten zum Büro

© Thomas Scherer

Die Blätter des Kirschbaums werden von einem sanften Sommerwind bewegt. Ein Schmetterling torkelt vorüber – kann man in dieser Idylle arbeiten? Norbert Treuheit hat kein Problem damit. Ganz im Gegenteil. Der Garten, der zu den Geschäftsräumen von „ars vivendi“ im Cadolzburger Bauhof gehört, wird ab und zu sogar für Besprechungen genutzt. Telefon und Laptop funktionieren hier dank W-Lan problemlos. Dass bei Meetings der Esel von der Nachbarweide seinen Senf dazu gibt, stört niemanden.

Vor einem Vierteljahrhundert gründete Treuheit seinen Verlag „ars vivendi“. Die Lebenskunst im Titel sollte zum Programm werden. Belletristik, Krimis – bevorzugt mit fränkischen Tatorten – und preisgekrönte Kalender gehören unter anderem zum Spektrum. Die Entscheidung, sich in Cadolzburg und nicht in irgendeiner Großstadt anzusiedeln, hat der 56-Jährige nie bereut: „Ich fühle mich pudelwohl, allein der Blick aus dem Büro, der bei klarer Sicht bis in die Fränkische Schweiz reicht, ist wunderbar.“

Ambitioniertes Projekt

Der Unternehmer ist verwurzelt in der Region, aber weit davon entfernt, Anbieter betont regionaler Produkte zu sein. Bei „ars vivendi“ erscheint zum Beispiel eine mit großer Aufmerksamkeit bedachte Shakespeare-Edition in neuer Übersetzung. Ein ebenso ambitioniertes, wie kühnes Mammut-Projekt, das bei dem Großbrand in einem Lager nahe Leipzig in diesem Frühjahr schwer getroffen wurde (die FN berichteten).

Doch Norbert Treuheit ist keiner, der aufgibt. Eine Eigenschaft, sagt er, die ihm durch eine tiefe, persönliche Lebenskrise half. 2006 musste er sich einer Lebertransplantation unterziehen. „Dieser Tag wurde zu meinem zweiten Geburtstag.“ Treuheit war an einer genetisch bedingten Leberzirrhose erkrankt. Nach dem Eingriff in der Uni-Klinik Regensburg kam es zunächst zu schwerwiegenden Komplikationen. „Es war eine ganz schlimme Zeit, ich bin dankbar, dass mein Team zu mir gehalten und den Verlag aufrecht gehalten hat.“ Fünf Monate brauchte er, um wieder auf die Beine zu kommen. Heute geht es ihm gut, er ist fit, treibt wieder Sport. Doch seine Einstellung hat sich geändert.

„Seither gehe ich mein Leben bewusster und demütiger an. Der Beruf, der Verlag, das ganze Drumherum – ich kann das alles jetzt noch mehr genießen.“ Schon immer habe ihm die Arbeit Spaß gemacht, doch nach der Krankheits-Erfahrung änderte sich der Blickwinkel: „Diese Zeit hat mir in meiner Ich-Werdung sehr geholfen, ich bin ausgeglichener geworden, sehe vieles gelassener, wo ich vorher emotionaler reagiert habe.“

Nach der Transplantation sei plötzlich seine Angst verschwunden: „Früher hatte ich zum Beispiel unglaubliche Flugangst, heute habe ich damit Null Probleme.“ Der Gedanke „Was soll mir noch passieren?“ habe ihn geprägt. Vor kurzem traf er in Fürth bei einer Lesung den Autor David Wagner, der autobiografisch über eine Lebertransplantation geschrieben hat („Leben“). „Das war ein schönes Zusammentreffen, wir haben lange geredet“, erinnert sich Treuheit. Und wird wieder zum Verleger: „Es ist toll, dass jemand über dieses Thema geschrieben hat – der Roman hätte bei uns erscheinen müssen.“

„Möglichst lange arbeiten“

Wie geht es weiter? „Ich möchte möglichst lange arbeiten“, verrät Norbert Treuheit. Trotzdem plane er, in den nächsten Jahren für die Nachfolge vorzusorgen und „jemanden aufzubauen, der übernehmen kann“. Sein Traum sieht so aus: „Vielleicht kann ich dann für eine gewisse Zeit im Jahr im Süden leben – November oder Februar, zum Beispiel. Das sind Monate, die ich hier nicht mag.“ Schnell räumt er ein: „Ich will meinem geliebten Franken aber niemals wirklich Ade sagen.“

Wie sieht sein Rückblick auf 25 Jahre als Verleger aus? „Es ist für mich der spannendste Beruf, den es überhaupt gibt. Ich fiebere mit jedem neuen Buch mit, wie mit einem Kind, das zur Welt kommt. Die Bücher sind im Grund meine Kinder.“ Und wie es mit denen weitergehen soll, dazu fällt ihm noch sehr viel ein.

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