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Mathe-Lektionen aus Fürth: Zwei Lehrer stehen hinter einem Schulbuch-Klassiker

28.9.2021, 11:00 Uhr
Mathe-Lektionen aus Fürth: Zwei Lehrer stehen hinter einem Schulbuch-Klassiker

© privat

Rainer Feuerlein und Harald Walter - manchen Leserinnen und Lesern mögen diese Namen etwas sagen. Wer selbst in den 60er- und 70er-Jahren das Gymnasium besucht hat, gefolgt von den Kindern und vielleicht den Enkeln, hat gute Chancen, gemeinsame Berührungspunkte in der Familie mit den beiden Herren zu haben.

Die ehemaligen Lehrer am Hardenberg- und am Helene-Lange-Gymnasium (HLG) sind Autoren eines Werks, das über 50 Jahre lang viele verzweifeln ließ, den meisten aber doch zum Wegbegleiter in anspruchsvoller Materie wurde und bei manchen eine Zahlenleidenschaft fürs Leben ausgelöst hat: die Lehrbücher für Mathematik an den bayerischen Gymnasien.

Doch wie wird man eigentlich Autor eines Schulbuchs? Bei Feuerlein (83) und Walter (81) ging das 1966 unprätentiös, wie sich Feuerlein, der 2010 zum letzten Mal unterrichtete, erinnert: "Ich habe als Referendar am Dürer-Gymnasium angefangen und bin dann 1965 ans Hardenberg-Gymnasium gewechselt. Dort traf ich auf Dr. Helmut Titze, der vom Bayerischen Schulbuchverlag beauftragt worden war, die von ihm nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten Algebra-Bücher neu zu gestalten. Der hat mich ins Boot geholt."

"Großer Aufreger"

Da saß bereits Harald Walter, seit 1964 am Hardenberg: "Damals wurde ein neuer Lehrplan erwartet, es ging darum, die Mengenlehre, inklusive eines Eingangskapitels, zu integrieren, ein großer Aufreger übrigens damals."

Das gemeinsame Werk der beiden waren die Algebra und später weitere Mathematik-Bücher für die Mittelstufe. Feuerlein hat darüber hinaus alle anderen Zweige der Mathematik und der Physik als Autor abgearbeitet.

Doch wie geht man so eine Neugestaltung an? Zunächst einmal ist den Autoren in der künstlerischen Freiheit eine Grenze durch den Lehrplan gesetzt. Dennoch liegt es am Ende an ihnen, wie sie die Inhalte vermitteln möchten.

Harald Walter, ab 1974 und dann für 28 Jahre Lehrer am HLG, erklärt seinen Ansatz: "Die Mathematik will Erklärungen und Beweise, man muss aber lernen, wie man an die Sache rangeht und den Schülern das Verständnis dafür beibringen. Die wollen ein Rezept, wie man die Aufgabe löst; es geht aber darum, Lösungswege zu finden."

Sein Kollege Rainer Feuerlein ergänzt, man müsse stets den Weg verstehen in der Mathematik. Vergleichbar sei das mit einem Navi, in das man das Ziel eingibt. Doch nur wer sich die Mühe mache, den ganzen Weg erkunden zu wollen, den Fokus auf diesen und nicht nur auf das Ziel zu lenken, habe etwas von der Reise.

Für Feuerlein war noch etwas anderes entscheidend bei der Gestaltung der Bücher: "Ich hatte vorher Lehrbüchlein zum programmierten Unterricht mit Frage und Antwort entwickelt. Zur Optimierung arbeitete man auch die Schülerantworten durch und lernte dabei, auf welche Art die Schüler an die Aufgaben herangehen und wie sie denken." Diese sehr hilfreichen Beobachtungen habe er bei der Entwicklung der Lehrbücher anwenden können. "Übrigens war das auch hilfreich, über sich selbst und seinen Unterricht nachzudenken."


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Auch in der Formulierung der Texte, das war dem 83-Jährigen immer wichtig, sollte es um den Schüler gehen: "Mathe muss nicht mit Fachbegriffen überfrachtet werden; entscheidend ist, die Gedanken mit den Worten der Schüler auszudrücken." Jedenfalls habe es viel Spaß gemacht, Sachverhalte zu durchdenken und zu sehen, wie sie rüberkommen.

Über Monate entstand so Stück für Stück der Stoff, der über Jahrzehnte Schülern die Mathematik näher gebracht hat – nicht nur in Bayern, denn früher wurden die Bücher auch bundesweit eingesetzt. Größere Änderungen gab es etwa alle zehn bis 15 Jahre, wenn ein neuer Lehrplan erschien, wobei kleinere Anpassungen regelmäßig stattfanden.

"Dann macht es auch Spaß"

Doch egal, wie gut Bücher sind, ohne Lehrkraft könne kein Inhalt vernünftig vermittelt werden, das betonen Feuerlein und Walter. "Die wenigsten Schüler können allein aus einem Buch heraus einen Stoff lernen", ist sich Harald Walter sicher. "Das kann man übrigens auch gerade beim Homeschooling beobachten. Es geht darum, einfühlsam zu erklären. Eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich auch die Schwächeren wohlfühlen. Geduld und Nachsicht sind ebenfalls wichtig. Das Entscheidende ist die Lehrerpersönlichkeit."

Rainer Feuerlein ergänzt: "Mathe muss man verstehen, und zwar den ganzen Weg einschließlich der Beweise. Dann macht es auch Spaß." Aktuell sind noch zwei Bände für die Oberstufe des zwölfjährigen Gymnasiums in Bayern im Einsatz – 55 Jahre nach den ersten Autoren-Versuchen. Das macht drei Generationen Wissensvermittlung. Drei Generationen, denen Rainer Feuerlein und Harald Walter mit ihren Büchern die Mathematik näher brachten – wenn sie sie nicht sogar zum Hobby werden ließen.

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