Mit Macht gegen den Schuldenberg

6.12.2016, 12:00 Uhr
Mit Macht gegen den Schuldenberg

© Hans-Joachim Winckler

Ein wenig peinlich, sagt der Oberbürgermeister, sei ihm die Sache schon gewesen. Da kommt am Freitag der bayerische Finanzminister Markus Söder mit den Taschen voller Geld ins Fürther Rathaus – und bleibt prompt mit dem Aufzug stecken. Gemeinsam mit Söder musste Thomas Jung gut eine halbe Stunde ausharren, ehe die Hausmeister die beiden Herren sowie Söders Pressesprecherin befreien konnten.

Sein vorweihnachtliches Geschenk übergab der Finanzminister trotzdem: Zum vierten Mal seit 2014 bekommt Fürth Stabilisierungshilfen; 2017 sogar in Höhe von 6,2 Millionen Euro. 500 000 Euro davon wird die Stadt für Investitionen ausgeben, der Rest fließt in die Tilgung. Weil Kämmerin Stefanie Ammon auf Söders Wohltat noch 1,3 Millionen Euro städtische Mittel packt, kann Fürths enormer Schuldenberg im nächsten Jahr um satte sieben Millionen Euro schrumpfen.

„Mir ist wichtig zu zeigen, dass wir in der Lage sind, auch aus eigener Kraft zu tilgen“, sagt die Kämmerin, deren rigider Sparkurs nach der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise maßgeblich dazu beigetragen hat, dass Fürth die Trendwende geschafft hat: Statt wie in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr Schulden anzuhäufen, wird jetzt getilgt – und das im vierten Jahr infolge.

2,5 Millionen Euro waren es 2014, anschließend zweimal jeweils mehr als drei Millionen und im kommenden Jahr eben die besagten sieben Millionen. Dass der CSU-regierte Freistaat mit seinen Stabilisierungshilfen seinen Teil dazu beigetragen hat, versucht Sozialdemokrat Jung gar nicht erst abzustreiten. Stattdessen bedankt er sich artig beim Finanzminister für das „viele Geld“. Ohne den Freistaat, so Jung, wäre Fürths Situation „deutlich schwieriger“.

Anders als die Schlüsselzuweisungen des Landes, von denen fast jede Kommune in Bayern profitiert, gehen Stabilisierungshilfen nur an Städte oder Gemeinden mit einem strukturellen Defizit. Fürth fällt in diese Kategorie: Im Vergleich zu anderen bayerischen Städten ist es arm. Ingolstadt und Regensburg sowieso, aber auch Erlangen und Würzburg kassieren deutlich mehr Gewerbesteuer als die Kleeblattstadt.

Jung und Ammon werden allerdings nicht müde zu betonen, dass die Stabilisierungshilfen auch als Belohnung für das sparsame Wirtschaften der Stadt zu sehen sind. „Schön, dass unser Kurs in München Anerkennung findet“, sagt der Rathauschef, und Markus Söder pflichtet bei: „Sich zu entschulden, schafft Freiräume für Zukunftsinvestitionen. Das unterstützen wir gerne.“ Nach seinen Worten bekommt Fürth neben der Stadt Hof in Oberfranken die größte Einzelzahlung aus München.

Der Unterschied zum Jahr 2010, als das Rathaus den Haushalt nur ausgleichen konnte, indem es 15 Millionen Euro neue Schulden machte, ist eklatant. Weil die Stadt 2015 einen satten Überschuss in zweistelliger Millionenhöhe erwirtschaftete, baut sie inzwischen sogar lange vermisste Reserven auf. „Bei meinem Amtsantritt 2010 hatten wir frei verfügbare Rücklagen in Höhe von 300 Euro“, sagt Ammon. Jetzt seien es 40 Millionen Euro. Allein 17 Millionen sind dafür vorgesehen, Bauland für Gewerbe und Wohnraum zu erstehen. Weitere 5,5 Millionen Euro stecken in einem Polster, um auch in schlechteren Zeiten den Haushalt ausgleichen zu können.

Hohe Rücklagen

Weil sich für das laufende Jahr ebenfalls ein Millionenplus abzeichnet, will Ammon einen weiteren Notgroschen anlegen: für Schulen. Wie berichtet, muss die Stadt in den kommenden Jahren geschätzte 100 Millionen Euro ausgeben, um Gebäude zu sanieren (Helene-Lange-Gymnasium und Berufsschule II) oder gleich neu zu bauen wie die Gustav-Schickedanz-Mittelschule. Beim Schliemann-Gymnasium ist die Entscheidung Neubau oder Sanierung zwar noch nicht gefallen, teuer wird die Angelegenheit aber in jedem Fall. Es sind diese gewaltigen Herausforderungen, die der Kämmerin Sorgen bereiten.

Im kommenden Jahr will die Stadt knapp über 34 Millionen Euro investieren. 24 Millionen muss sie selbst aufbringen, die restlichen zehn Millionen sind Zuschüsse von Bund und Land. Damit bewegt sich das Rathaus in etwa auf dem Investitionsniveau der Vorjahre. Die großen Schulprojekte sind noch nicht darunter: Zum ersten Mal in Ammons Amtszeit übersteigt der Posten Straßen und Brücken (11,7 Millionen Euro) die Ausgaben für die Schulen deutlich.

Fünf Millionen Euro hat die Stadt für Grundstückseinkäufe eingeplant. Mit einem Teil der Summe will sie Flächen am Hafen bzw. an der Rezatstraße erwerben, um dort neue Gewerbegebiete schaffen zu können.

Noch etwas ist neu im nächsten Haushalt: Erstmals, sagt Jung, mache sich das Thema Sicherheit „spürbar bemerkbar“. Wegen der weltweit angespannten Lage muss die Stadt auch 2017 viel Geld für das Sicherheitskonzept der Michaelis-Kirchweih ausgeben. Außerdem soll ein neuer kommunaler Ordnungsdienst, so hofft Jung, das bei manchen Bürgern gesunkene Sicherheitsempfinden wieder verbessern. Die fünf Stellen lässt sich das Rathaus 275 000 Euro im Jahr kosten.

Für das Übergangswohnheim in der Oststraße muss die Stadt ebenfalls einen Sicherheitsdienst engagieren. Hier kommen Menschen unter, die keine andere Bleibe haben, in letzter Zeit waren es nicht selten Familien aus Südosteuropa. Die Lage an der Oststraße habe sich zugespitzt, sagt Jung und spricht von einem beinahe „rechtsfreien Raum“, der dort entstanden sei. Die Sozialarbeiter vor Ort fühlten sich nicht sicher. „Ohne Security geht es nicht mehr“, bedauert der Rathauschef. Kärwa, Ordnungsdienst, Oststraße: Insgesamt belaufen sich die Mehrkosten auf rund eine Million Euro.

Auch in puncto Personalausgaben muss das Rathaus tiefer in die Tasche greifen. Lange hatte sich die Rathausspitze aus Spargründen gegen Stellenmehrungen ausgesprochen, doch eine wachsende Stadtbevölkerung erfordert dringend neue Jobs in der Verwaltung. Wie schon in diesem Jahr sollen 2017 rund 30 Vollzeitstellen in allen Bereichen entstehen: vom Hausmeister über die Erzieherin bis zum IT-Fachmann.

Die Prognosen für das nächste Jahr sind gut, der Konjunkturmotor brummt, die Steuerquellen sprudeln weiter. Ammon und Jung machen sich aber nichts vor: Die nächste Krise kommt bestimmt. „Die Lage kann sich schnell ändern“, so Jung. „Deshalb ist das Vorsorgeprinzip unserer Kämmerin genau richtig.“

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