Mit Volldampf ins Fernweh

30.9.2010, 14:55 Uhr
Mit Volldampf ins Fernweh

© Thomas Scherer

Da nicht nur die Bahn feiert, sondern auch die Wiedervereinigung ein rundes Jubiläum hat, wählte Stumpf Aufnahmen, die ihm in der ehemaligen DDR in den Jahren 1986 bis 1992 gelangen. Seine 70 Fotografien umfassende Schau – sein Archiv beherbergt allein 40000 analoge Aufnahmen von Lokomotiven und Zügen – zieht sich durch das ganze Haus.

Die Ausstellung ist enorm vielseitig und zeigt Stumpfs Leidenschaft für die Eisenbahn aus den unterschiedlichsten Perspektiven: Landschaften in epischer Breite, Detailaufnahmen mit haptischen Reizen, aber auch Witz steckt oft dahinter oder Stumpf nutzt das Glück des richtigen Augenblicks für umwerfend schöne Bilder.

So wird ein qualmender Dampfzug vor orangefarbenem Sonnenuntergang zum Scherenschnitt. Die schwarzen Wolken strotzen vor Dramatik. Dann wieder eine Aufnahme, die wie ein künstlich geschaffenes Modellbahnidyll wirkt: Eine rote Lok zieht ihren Zug durch grüne Landschaft mit grasenden Schafen unter blauem Himmel. Beihnahe unwirklich in dieser Perfektion, eine traumhafte Kulisse, an der mancher Modellbahnfreak sicherlich wochenlang arbeiten müsste.

Verblüffend plastisch

Zum Greifen echt erscheint dagegen die Nahaufnahme der „Zittauer 528195“ im Ausbesserungswerk Meinigen. Gestochen scharf hat Stumpf die Frontpartie der Lok abgelichtet. Jeder Bolzen, jede Schraube wirkt verblüffend plastisch. Der Kontrast des schwarzen Kessels zu den knallroten Puffern verdeutlicht die ganze Kraft, die hinter solchen Maschinen steckt. Doch der Fotograf hat auch ein Auge fürs Detail und Humor: Gleich neben den Ölkännchen zum Schmieren der Lok steht die Dose Bier zum Schmieren der Kehle des Bahnarbeiters.

Auf den meisten Fotos spielt auch die besondere Atmosphäre der alten DDR eine tragende Rolle. Trabis, eine Dampflok und der typische Braunkohledreck bestimmen eine Szene, die Rolf Stumpf festgehalten hat: Der Baustoffhändler in Mügeln bekommt Nachschub. Kurios: die Lok kommt direkt aus einer schmalen Einfahrt. Besonders interessant für den Betrachter sind auch die ausführlichen Bildunterschriften, die spannende Informationen nicht nur für Bahnkenner enthalten. Der künstlerische Aspekt und die Dokumentation halten sich die Waage.

Als Schüler reiste Stumpf 1986 zum ersten Mal in die DDR, um Dampfloks zu fotografieren. Auch die bevorstehende Abiturprüfung 1988 konnte ihn nicht davon abhalten. In den vergangenen Jahrzehnten hat er auch die USA und viele Länder in Mittel- und Südeuropa bereist, um seiner Leidenschaft nachzugehen. Seine Fotos veröffentlicht Rolf Stumpf in eigenen Publikationen und in Fachzeitschriften für Eisenbahnfreunde.

"Verbindungswege“: VHS, Hirschenstraße. Montags bis freitags 8-21 Uhr, samstags 8-17 Uhr. Bis 2. November.