Mordmotiv Habgier?

2.4.2009, 00:00 Uhr

Hatte er Erektionsstörungen? Orgasmusschwierigkeiten? Welche sexuellen Vorlieben pflegte er und wie hoch sind seine Schulden? Im Leben von Fritz F. (61), Rentner und Amateurschiedsrichter aus Nürnberg ist nichts mehr geheim - jede Einzelheit wird im Schwurgerichtsprozess unter die Lupe genommen. Alles könnte eine Rolle spielen und erklären, warum er am 29. Februar 2008 die 39-jährige Prostituierte Britta B. im Wohnblock Sonnenhof mit einem Messer traktierte, bis sie blutüberströmt am Boden lag.

Die Anklage glaubte bislang an einen Mordversuch aus sexueller Lust - schwenkt Staatsanwalt Michael Schrotberger nun um? Auch Habgier ist ein Mordmotiv. Denn obwohl der Rentner die Bluttat bereits indirekt zugab - erst vor einigen Wochen ließ er der Frau über seinen Anwalt 10 000 Euro Schmerzensgeld überweisen - verharmlost er den Überfall seit Beginn des Prozesses als «Rauferei».

Den beiden Rettungssanitätern hatte sich an jenem Tag ein erschreckendes Bild geboten: Im Zeugenstand erinnern sich die beiden Männer an eine verwüstete Wohnung und eine nackte Frau, blutverschmiert und unter Schock stehend lag sie auf dem Boden, ein Stück Finger war ihr abgeschnitten worden, der Rentner hatte sie mit Messerstichen, einem Elektroschocker und Peitschenschlägen per Stromkabel brutal gefoltert.

«Warum mir das passierte», der Angeklagte Rentner Fritz F. kann es nicht sagen. Er erzählt von einem Schuldenberg in Höhe von 220 000 Euro und von sexuellen Schwierigkeiten. Entspannung habe er bei Prostituierten gesucht und gefunden. Im Gerichtssaal könnte man eine Stecknadel fallen hören, wenn derart pikante Details zur Sprache kommen - auch am zweiten Verhandlungstag muss der Zuschauerraum wegen Überfüllung geschlossen werden.

Fritz F. war Stammkunde bei Prostituierten - gleich zwei Damen schildern seine Vorlieben. Bei einer 40-jährigen Blondine ließ er sich fast monatlich blicken, buchte erotische Massagen und «Handentspannungen», von Gewaltspielen oder perversen Fantasien war nie die Rede. Doch die Blondine, Künstlername «Pia», ist sicher: «Eigentlich hätte ich sein Opfer werden sollen! An dem Tag hat er bei mir angerufen und wollte einen Termin haben - ich hatte nur keine Zeit!»

Die zweite Liebesdame, 42 Jahre, kennt ihn nur von Zufallsbegegnungen auf dem Flur im Sonnenhof - bei ihr, einer Frau mit dunklen Locken und dem Spezialgebiet «erzieherische Tätigkeiten» mit der Reitgerte, buchte er keine Stunde. Im Gericht wird morgen plädiert, voraussichtlich folgt auch das Urteil. ULRIKE LÖW