Nach Köln: „Faltblätter reichen nicht für die Integration“

9.1.2016, 16:00 Uhr
Nach Köln: „Faltblätter reichen nicht für die Integration“

© F.: imago

Eine Veränderung hat Bastian Döring bemerkt: Es gibt Anwohner, die sich jetzt Sorgen machen, sagt der Mitarbeiter der Rummelsberger Dienste, der mehrere Einrichtungen für unbegleitete junge Flüchtlinge in Fürth leitet. Doch noch sei es zu früh, um Schlüsse zu ziehen, betont er: „Lassen wir die Polizei erst ihre Arbeit machen.“ Das, was man über die Silvesternacht zu wissen glaubt, ändere sich sehr schnell: Mal sollen es gerade keine Flüchtlinge gewesen sein, mal eben doch.

Sicher, sagt Döring, manche der Jugendlichen kommen mit einem anderen Frauenbild hierher. Doch in den Wohngruppen bekommen sie seiner Erfahrung nach schnell mit, dass sie ihre Einstellungen verändern müssen: „Es arbeiten hier ja viele Frauen, etwa als Sozialpädagoginnen und Erzieherinnen. Das ist für viele eine neue Situation, aber das gibt sich und sie können Frauen schnell als Autoritätspersonen akzeptieren.“

Die Vorfälle seien dramatisch, sagt Michael Ganzert, der als Mitarbeiter der Caritas Flüchtlinge in Fürth betreut, doch auch er fordert Geduld: „Man muss der Polizei Zeit lassen und dann Konsequenzen ziehen.“ Keinesfalls dürfe man alle Asylbewerber in einen Topf werfen. Er befürchtet jedoch auch nicht, dass das in Fürth passiert: „Die Fürther Bevölkerung ist in der Beziehung großartig.“ Auch deutschlandweit stehe die große Mehrheit Flüchtlingen nicht feindlich gegenüber, so sein Eindruck und er ist zuversichtlich, dass das so bleibt.

Er könne nur für Fürth sprechen, schränkt Ganzert ein, aber hier werde sehr gute Integrationsarbeit geleistet: Die vielen ehrenamtlichen Helfer, die vielen Begegnungsmöglichkeiten seien der Schlüssel: „Faltblätter werden uns bei der Integration nicht weiterhelfen“, sagt er. „Was hilft, sind Begegnungen.“ Ob man gemeinsam kocht oder ins Stadion geht: „Es ergibt sich ständig ein Austausch, so kommt man ins Gespräch über kulturelle Unterschiede. Anders geht es gar nicht.“

Hetze gegen Flüchtlinge habe sie in Fürth bislang nicht erlebt, sagt Sozialreferentin Elisabeth Reichert. Aber es gebe neben den vielen Helfern „Bürgerinnen und Bürger, die Sorgen haben“ – und die müsse man ernst nehmen. „Das darf man auch nicht in die rechte Ecke drängen.“

Dass die Liste der Opfer der sexuellen Übergriffe in Köln und andernorts immer länger wird, lässt Reichert vermuten: In der Silvesternacht sind offenbar zwei Kulturen aufeinandergeprallt. Die Folge ist für sie klar: Neben der deutschen Sprache müsse man Asylsuchenden sehr schnell die hier geltenden Werte vermitteln: „Die Gesellschaft in Deutschland muss klar machen: Das sind unsere Regelungen. Und an ihnen dürfen wir auch in keiner Weise Abstriche machen.“

Genauso wichtig sei es, Asylverfahren zu beschleunigen: Manche Bewerber lebten mehr als ein halbes Jahr in einem Schwebezustand, bis sie den Antrag überhaupt stellen können: „Da entsteht ein gefährliches Vakuum, in dem sie den Staat als nicht sehr fähig erleben.“

Wenn Sie zu diesem Thema ihre Meinung äußern möchten, können Sie dies in dem extra dafür eingerichteten Leserforum tun. Eine direkte Kommentierung dieses Artikels ist nicht möglich.