Neun Monate zum Preis von zwölf

6.1.2004, 00:00 Uhr
Neun Monate zum Preis von zwölf

© Archivf.: Hans-Joachim Winckler

Zwar bin ich erst seit April in Fürth, aber gemessen an der Zahl der Überstunden kommt es mir vor, als sei ich schon zwölf Monate hier. Für das erste halbe Jahr hatte ich mir vorgenommen, Antrittsbesuche zu machen und die Strukturen dieser Stadt kennen zu lernen. Auf Grund der turbulenten Vorzeit des Museums dauerte das jedoch länger als geplant. Es waren zum Teil sehr fruchtbare Gespräche, und ich war positiv überrascht von der Gesprächsbereitschaft derer, die dem Haus vorher sehr kritisch gegenüberstanden. Ich lerne gerne Leute kennen, die sich in welcher Form auch immer mit dem Jüdischen Museum auseinander setzen.

Ich bin darüber hinaus äußerst froh, dass ich ein so hervorragendes Museumsteam angetroffen habe. So etwas ist heutzutage keine Selbstverständlichkeit. Ich blicke also sehr zufrieden zurück, zumal wir in der doch recht kurzen Zeit viel geschafft haben. Das Begleitprogramm zur Lauterbach-Fotoausstellung zum Beispiel oder die Lesereihe über jüdische Identität, die so erfolgreich war, dass wir zur Abschlussveranstaltung in einen größeren Saal wechseln mussten. Auch die Krautheimer-Ausstellung läuft sehr gut. Es kommen viele Leute, die persönliche Erinnerungsstücke mitbringen aus der Zeit, die sie selbst in der Krippe verbracht haben.

An Fürth hat mich die Kärwa unheimlich beeindruckt. Dass eine ganze Stadt zu einer großen Kirmes wird, habe ich noch nie erlebt. Auch den wunderbaren Ausdruck „Baggers“ kannte ich bisher noch nicht. Schaue ich ins Pressearchiv unseres Hauses, dann fällt auf, dass Fürth in kultureller Hinsicht immer mehr unternimmt. Das ist ein gutes Zeichen. Ich war 2003 oft unterwegs, deshalb konnte ich leider noch nichts im Stadttheater, im Berolzheimerianum oder in der Kofferfabrik anschauen. Ein paar Mal aber war ich in der kunst galerie fürth, auch das Rundfunkmuseum kenne ich inzwischen.

Was das Jüdische Museum betrifft, so ist das Programm für die nächsten zwei Jahre nun konzipiert. Unbefriedigend ist, wie wenig Firmen Interesse an der finanziellen Unterstützung beispielsweise der Krautheimer-Begleitbroschüre hatten — nämlich keine einzige. Das ist schon ein Grund, ein wenig besorgt zu sein, wenn es um die Sicherung von Projekten in der Zukunft geht. Weil wir einen überregionalen Ruf haben, glauben potenzielle Sponsoren offenbar, unser Bedarf gehe in die Hunderttausende. Das ist ein Irrtum. Allein für die kleine Broschüre wäre uns schon mit 2500 Euro geholfen gewesen. Wir verbrauchen im Schnitt nur ein Viertel der Gelder, die Museen vergleichbarer Größen benötigen. Das hat zu tun mit dem Konzept der Andockungen, das keine kompletten Umbauten bei wechselnden Ausstellungen erfordert. Wir versuchen auch weiterhin, so qualitätvoll und so preisgünstig wie möglich zu arbeiten.

Was ich an Frankfurt vermisse? Dort waren Verwaltung und Bibliothek im selben Haus. Sie glauben ja nicht, wie viel Zeit ich schon in Fürth mit Hin- und Herlaufen (die Bibliothek ist aus Platzgründen in der Nürnberger Straße, das Museum selbst in der Königstraße, FN) verbracht habe. Unsere große Hoffnung ist daher, dass die Stadt den Plan der Erweiterung unseres Hauses zur 1000-Jahr-Feier 2007 realisieren kann. Das wird mehr als eine Erweiterung, nämlich eine Image-Aufwertung. Protokoll: MATTHIAS BOLL