Nichts als Lügen und Sex

27.5.2006, 00:00 Uhr
Nichts als Lügen und Sex

Es sind nur kurze Begegnungen, Affären und der Austausch von Körperflüssigkeiten, die der britische Bühnenautor David Hare in seinem Stück «The Blue Room“ mit ironischem Blick vorführt. Hare hat Arthur Schnitzlers sexuelles Karussell «Der Reigen“ adaptiert und in abgeänderter, modernisierter Form auf die Bühne gebracht. In der Inszenierung von Ute Weiherer ist das Stück zur Zeit in der Fürther Bagaasch mit Uwe Weiherer und Sandra Bauer in den Hauptrollen zu sehen.

«Pretty Woman“ singt Taxifahrer Fred vor sich hin und küsst selbstverliebt seinen - zumindest imaginär vorhandenen - mächtigen Bizeps. Schon diese erste Szene löst im Publikum großes Gelächter aus. Marie, die ordinär Kaugummi kauende Prostituierte, sucht «eigentlich jemanden auf Dauer“. Dennoch kommt es zum Quickie mit dem Taxifahrer

Ohne Prüderie

Die beiden Schauspieler zeigen die peinlichen Situationen, in die sich Menschen bringen, wenn sie sich ganz nahe kommen wollen, mit Offenherzigkeit und einer gesunden Portion Ironie. Uwe Weiherer ist der Herausforderung, innerhalb von 90 Minuten in fünf Rollen zu schlüpfen, locker gewachsen. Auf seine eigene, unvergleichliche Art gibt er jeder Figur einen ganz charakterischen Einschlag.

Den Studenten spielt er herrlich verklemmt, den Politiker wortgewandt, den Schriftsteller übertrieben überheblich und den Adligen mit einem kleinen Schlag, indem er sich mit der Hand gegen den Kopf schlägt und die Nase hinauf zieht. Jeder Mann bekommt dazu eine eigene Stimmlage, einen eigenen Dialekt. Herrlich komisch zum Anschauen.

Aber auch Spielpartnerin Sandra Bauer geht in ihren Figuren auf. Sie setzt ihren Rollen übertriebene soziale Klischees auf und wirkt damit meist überzeugend. Das osteuropäische Au-pair-Mädchen ist überaus naiv, die Politiker-Ehefrau total gehetzt, die Schauspielerin eingebildet und das Model, das sich in bester Heidi-Klum-Manier die Gummibärchen zwischen die Zehen steckt, drogensüchtig.

Im Schlafzimmer

Ein Höhepunkt des Stücks ist das eheliche Schlafzimmer. Mann und Frau packen ihren Laptop aus und chatten miteinander. Die Ehefrau hat in der Szene zuvor ihren Mann mit dem Studenten betrogen. Nun versucht sie herauszufinden, ob ihr Gatte in seiner Jugend ebenfalls Affären mit verheirateten Frauen hatte. Es entspannt sich ein witziger Dialog, indem die Ehefrau die Antworten ihres Mannes vorliest und umgekehrt. Der erzählt ihr das Märchen von den zwei Sorten Frauen, denen fürs Bett und denen für die Liebe. Später erfüllt sie die eheliche Pflicht und wundert sich, dass es nicht mehr so leidenschaftlich ist wie auf der Hochzeitsreise nach Venedig.

Sparsame Bühne

Im Gegensatz zu David Hares Vorgaben, kommt das Bagaasch-Ensemble mit einem sehr spartanischen Bühnenbild aus. Mit blauen Abfalltüten ist der Hintergrund abgeklebt, auf der Bühne stehen zwei Sofas, eines mit grünem, das andere mit blauem Bettzeug. Auf, neben oder vor diesen beiden Requisiten finden die Szenen statt.

Es wird gelogen, betrogen und falsch gespielt und am Ende wiederholt sich doch alles. «Das Leben geht weiter“, sagt der Adelige und singt «Pretty Woman“, als die Prostituierte gegangen ist. CLAUDIA BIDNER-WUNDER