Notentreue ist etwas für Klassikfans

27.10.2018, 18:43 Uhr
Notentreue ist etwas für Klassikfans

© Foto: Hansjörg Helbock

Auf der Bühne wartet eine Vielzahl an Blasinstrumenten auf ihr Orchester. Aber dann betreten bloß drei Mann die Bühne, wovon sich einer gleich hinter den Flügel setzt. Das heißt allerdings nicht, dass je einer bloß für ein Instrument zuständig ist. Oder es nur auf eine einzige Art und Weise bespielt. David Helbock drückt die Tasten, aber zupft und reißt auch an den Saiten, klopft auf den Deckel und dreht den Regler an Echo- und Effektgeräten. Johannes Bär bedient nicht nur das Blech von der Trompete bis zum voluminösen Sousafon, er gibt auch den Rhythmus vor mit Handtrommel und Schellenband am Knie. Während Andres Broger die Holzblasinstrumente bedient.

Ihr Material sind Standards der Jazzliteratur, Titel von Größen wie Miles Davis, Duke Ellington, Chick Corea und Joe Zawinul, mit dem David Helbock seine Vorliebe für Strickmützen teilt. Doch diese Standards in Andacht nachzuspielen, wäre den Großmeistern nicht gerecht. Notentreue ist etwas für Klassikfans, beim Jazz geht es um Weiterentwicklung bis hin zum kompletten Umkrempeln des Materials. Da mag so mancher Hörer konsterniert seinen Ohren nicht mehr getraut haben.

Denn obwohl in der "Tour d’Horizon" Stücke aufs Tapet kommen, bei dem das Klavier die Hauptrolle spielt, unternimmt das Trio Random/Control eine Verlagerung weg vom Klavier – das oft in staccatoartigen Rhythmen und Patterns den Rahmen vorgibt – und hin zum Blaswerk.

Und da kommt es zu den ungewöhnlichsten Kombinationen. Da trifft Sousafon auf Blockflöte, Altsaxofon auf gestopfte Trompete. Besonders schöne Wirkungen erzielt das Trio, wenn es Chaos mit Beschaulichkeit kombiniert. Da irrlichtert die Elektronik mit Zwitschern und Fauchen, doch darüber singt sich in alpenländischer Seelenruhe das Alphorn aus. Das sollte nicht verwundern, schließlich stammen alle drei Musiker aus Vorarlberg, dort, wo Österreich auf die Schweiz trifft.

Auch wenn David Helbock’s Random/Control in den turbulenten Nummern eine Schau für Auge und Ohr bietet – etwa, wenn Johannes Bär eingezwängt im Sousafon noch zwei Trompeten bedient, oder alle drei Musiker den Konzertflügel bearbeiten –, so erreichen die Musiker gerade in den intimen Stücken ihre höchste Überzeugungskraft. Dann, wenn bei "In a sentimental Mood" das Saxofon haucht und röchelt, die Tuba in den tiefsten Lagen brummt wie ein träumendes Wollnashorn, die gestopfte Trompete in langen Zügen dahingleitet und das Piano sich kurz in die Romantik verirrt.

Ist das sentimental? Nein. Gefühlsbetont? Schon eher. Ergreifend? Ja!

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