Pogromnacht: Sensationelle Bilddokumente

23.2.2020, 16:00 Uhr
Pogromnacht: Sensationelle Bilddokumente

61 Menschen wurden in jener Novembernacht aus ihren Häusern und Wohnungen in Erlangen, Baiersdorf und Forth getrieben. Frauen, Männer, Kinder. Bis auf die Jüngsten und die Gebrechlichen mussten alle stundenlang stehend im Rathaushof ausharren. Davon zeugen Fotografien, die das Stadtarchiv in dem Gedenkbuch "Der Tag der Schande in Erlangen" veröffentlicht hat. Besonders bedrückend sind zwei gegenübergestellte Bilder ein und desselben Wohnzimmers: Während das eine die heile Welt eines Kindergeburtstages im Sommer 1937 zeigt, sind auf dem anderen zwei SA-Männer schemenhaft zu erkennen, die am Morgen des 10. November 1938 über die zerstörte Einrichtung steigen.

Dank der intensiven Recherchearbeiten Jakobs und seiner Mitarbeiter konnten nahezu alle in "Schutzhaft" Genommenen identifiziert werden. In dem 80-seitigen Druckwerk werden diese Erlanger Bürger, 58 Frauen und Männer jüdischen Glaubens sowie drei christliche Ehepartner, in Kurzbiografien vorgestellt.

Nach den Veröffentlichungen in den Medien haben in den vergangenen Wochen nun einige Zeitzeugen Kontakt mit dem Stadtarchiv aufgenommen. "Aktuell spreche ich jede Woche mit drei bis vier. Es ist unwahrscheinlich, was da gerade zum Vorschein kommt", so Jakob. Davon berichtete er den Zuhörern im Museum. Er plant ein weiteres Buch, in dem nicht nur die hochbetagten Zeugen zu Wort kommen sollen, sondern weiteres Bildmaterial veröffentlicht werde.

Zwei Forschungsansätze wolle er damit verfolgen. Zum einen die Frage, wann der alltägliche Antisemitismus der NS-Zeit in Gewalt umschlug. Zum anderen, inwiefern sich die Juden vor 1933 gegen Schmähungen zur Wehr setzten. Damit wolle er auch den Blick auf die Täter lenken. "Antisemiten erkennt man ja nicht daran, dass sie Hörner haben und nach Schwefel riechen. Das waren die guten Onkels von nebenan", so Jakob, der unter anderem einen seiner Stadtarchivar-Vorgänger als einen der "übelsten Antisemiten" ausgemacht hat.

Während das 2019 veröffentlichte Gedenkbuch stark biografisch ausgelegt ist, zeigten die jüngsten Funde – sie wurden während des Vortrags teils erstmals der Öffentlichkeit präsentiert – Straßenszenen mit geplünderten jüdischen Geschäften und Passanten, die mal feixend, mal ernst und zurückhaltend danebenstehen.

Auch der öffentlich inszenierte "Demütigungsmarsch" der verhafteten Männer vom Rathaus ins Erlanger Amtsgerichtsgefängnis wurde fotografisch dokumentiert. "Obwohl in Erlangen vergleichsweise wenig körperliche Gewalt angewendet wurde und niemand ums Leben kam, war die erlebte Willkür für die Betroffenen schockierend und traumatisch", so Andreas Jakob.

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