Pulzermärtel brauste mit Feuerwehr zum Prolog

17.11.2017, 10:44 Uhr
Pulzermärtel brauste mit Feuerwehr zum Prolog

© Foto: Daebel

Nein, er ist nie durch den Wald gegeistert und hat die Leute erschreckt. Hemmeter lacht. So einer ist er nicht. Aber eigenen Angaben zufolge ist er "romantisch" veranlagt. Damit meint er konkret: "Ich hänge an alten Bräuchen." An diesem Nachmittag ist er in zivil unterwegs. "Pulzermärtel a. D.", sagt Hemmeter und reicht Pfarrer Wolfgang Jäger die Hand. Vor nunmehr zwei Jahren hat er das Gewand der Fantasiegestalt abgelegt und es an Rainer Gegner weitergereicht. Der sitzt für die SPD im Roßtaler Gemeinderat, ist im Kirchenvorstand, und hat gemeinsam mit Hemmeter viele Theaterstücke auf die Bühne gebracht.

Mantel ist kürzer geworden

Als der 81-Jährige dann unter das Kapitel "Pulzermärtel" einen Schlussstrich ziehen wollte, war klar, dass Gegner ihm nachfolgen sollte. "Er ist zwei Köpfe größer als ich und hat damit eine ganz andere äußere Erscheinung", erzählt Hemmeter. Der von ihm weitergegebene Mantel reicht dem neuen Pulzermärtel deswegen auch nicht mehr bis zu den Knien.

Die Geschichte zu diesem Mantel ist wieder eine ganz eigene. Es ist ein Militärmantel, wie ihn Offiziere während des Ersten Weltkriegs getragen haben. Sein innerer Pelz wurde nach außen gekehrt und mittlerweile ist fast keine Naht mehr original.

Die handgemachten Stiefel allerdings konnte Hemmeter nicht weiterreichen. "Ich trage Größe 43, mein Nachfolger 48." Den Stock aber hat er ebenfalls abgegeben. Der stammt aus der Hecke seines Haselnussstrauches, und die beiden Bärte hat er sich einst aus dem Fundus des Nürnberger Schauspielhauses besorgt. Die obligatorische Glocke kam aus der Verwandtschaft.

Hemmeter ist wichtig, dass der Brauch des Pulzermärtels erhalten bleibt. Und zwar, solange es den Martinimarkt gibt. Denn als der 1974 erstmals stattfand, war die Perchtengestalt schon mit von der Partie. So ist sie untrennbar mit dem Markt verbunden und auch heute noch eine der Hauptattraktionen. Viele Besucher aus Nah und Fern kommen jedes Jahr aufs Neue, um den Pulzermärtel zu sehen.

Ob die Kinder Angst vor ihm hatten? "Die Furcht hat im Laufe der Zeit immer mehr nachgelassen. Ich weiß nicht, warum. Vielleicht liegt es am Fernsehen oder an diesen Comics?" Hemmeter selbst kann sich noch gut daran erinnern, wie es war, als er selbst Ende der 1930er Jahre im Kindergarten war und eine der dort tätigen Schwestern sich in die Sagengestalt verwandelte. "Sie hat getadelt, was ihr nicht gepasst hat. So hatte die Figur in früheren Jahren auch einen erzieherischen Auftrag." Während der Kriegsjahre habe man viele Nächte im Luftschutzbunker verbracht, so der 81-Jährige. Da habe keine Mutter den Pulzermärtel kommen lassen.

Seine Zeit als zottelige Perchtengestalt möchte Hemmeter auf keinen Fall missen. "Ich habe es sehr, sehr gerne gemacht." Die reichen Erinnerungen an seine vielen Einsätze hütet er wie einen Schatz. Es sei jedes Mal ein Erlebnis gewesen, mit der Kutsche zum Markt zu fahren, betont er. Ein einziges Mal – im Jahr 2007 – habe ihn die Feuerwehr abgeholt und zur Laurentiuskirche chauffiert, damit er dort seinen Prolog habe sprechen können. An diesem Tag habe es derart geregnet und gestürmt, dass man keinen Fuß vor die Tür habe setzen können.

Einen Texthänger hatte Hemmeter auch mal. Für ihn war das aber kein Problem. Statt des Prologs hat er einfach ein weihnachtliches Gedicht aufgesagt, das ihm spontan in den Sinn gekommen sei. Ob er manchmal Sehnsucht nach der Rolle seines Lebens hat? Hemmeter zögert und sagt: "Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist."

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