Puschendorf verliert sein Bad und Branko Radina

24.7.2015, 16:00 Uhr
Puschendorf verliert sein Bad und Branko Radina

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Wer mit dem Auto durch Puschendorf fährt, registriert zwangsläufig die Zweckbauten der Diakonie-Gemeinschaft, die sich mehrgeschossig neben den ortsüblichen Ein- und Zweifamilienhäusern auftürmen. Hier, tief in den Eingeweiden des angejahrten Gebäudeensembles, versteckt sich ein Ort, den Menschen aus der ganzen Gegend regelmäßig ansteuern: die kleine Puschendorfer Schwimmhalle.

Über 5000 Kinder

Gebaut wurde sie in den 1970er Jahren vor allem für Schwestern, Beschäftigte und Gäste der Diakonie-Gemeinschaft. Darüber hinaus nutzen auch die Volkshochschulen Oberasbach und Cadolzburg, die Deutsche Rheuma-Liga Fürth und seit 23 Jahren eine Physiotherapie-Praxis das Bad. Deren Angebotspalette reicht vom Babyschwimmen im 30 Grad warmen Wasser über Kinderschwimmkurse bis zu Aqua-Fitness-Angeboten für Senioren. Weit über 5000 Kinder haben hier im Lauf der Zeit schwimmen gelernt.

Noch herrscht reges Kommen und Gehen im winzigen Vorraum zum Badetrakt, quetschen sich Tag für Tag große und kleine Leute in Badehose und -anzug durch die Flure zwischen Umkleidekabinen und Metallspinden. Mancher wasserscheue Seepferdchen-Aspirant löst sich schwer von Mamas Hand, doch versiegen die Tränen spätestens, wenn Schwimmlehrer Branko Radina, ein breitschultriger Hüne, den Vorhang beiseite schiebt und das Angsthäschen mit einem Augenzwinkern und launigen Worten in Empfang nimmt.

Anders als Jörg Pötzel (Schwimmlehrer) und Beate Beckert (Aqua-Fitness-Trainerin) arbeitet Radina hauptberuflich hier. Für viele Familien zwischen Neustadt, Cadolzburg, Fürth und Herzogenaurach ist der 48-Jährige das Gesicht der Schwimmschule, Eltern gilt er als Phänomen.

Der gebürtige Kroate, der selbst unter den liebevollen Blicken seines Vaters am Strand von Split schwimmen lernte, startete im früheren Jugoslawien eine Schwimmerkarriere und brachte es 1982 bei der Europameisterschaft der Junioren mit der Staffel zu einem zweiten Platz. Im Zuge des Balkankriegs zog Radina zum deutschen Teil seiner Familie in Weißenburg. 1996 heuerte der Schwimm- und Wasserballtrainer bei einer Fürther Schwimmschule an, 2002 wechselte er nach Puschendorf.

Ivonne Mayerhöfer aus Wilhelmsdorf ist Erzieherin. Der Name „Branko“ kam ihr schon häufiger zu Ohren, lang bevor sie selbst Kinder hatte. Nun lernt Sohn Dustin (5) hier, sich aus eigener Kraft über Wasser zu halten. Yanine Sturhahn-Bautista wohnt in Puschendorf, ist für ihren Arbeitgeber Siemens mit der Familie zeitweise aber woanders in der Welt zuhause. Sohn Kimi (7) hat sie von Dubai aus für den Seepferdchen-Kurs angemeldet. „Ich wollte unbedingt, dass er es hier lernt. Branko hat so ein tolles Feeling mit den Kindern.“

Der so Gelobte selbst erklärt: „Du brauchst gaaanz viel Geduld, und am wichtigsten ist, dass die Kinder Spaß haben. Ich lass’ die in Ruhe spielen und Remmidemmi machen und schau’ mit vier Augen zu, nicht mit zwei, dass nichts passiert.“ Schließlich sei Wasser „ein spezifisches Element, das Respekt verlangt und Liebe“.

Gut investiertes Geld

Manche Kinder besuchen gleich mehrere Aufbaukurse — weil sie mit jeder Einheit mehr Sicherheit im Wasser gewinnen und die Eltern die Kursgebühren als gut investiertes Geld betrachten. „Ich möchte bei Branko schwimmen, bis ich auch Papa bin“, hat neulich Maximilian Friedrich (6) seiner Mama erklärt. Daraus wird wohl nichts. Die Physio-Therapiepraxis hat Radina und seinen Kollegen gekündigt. Ob und wo sie künftig unterrichten, steht in den Sternen. Im Dezember wird in Puschendorf die Tür zum Bad zugesperrt.

Der Grund: Die Diakonie-Gemeinschaft muss sparen. Auf Anraten ihres neuen ehrenamtlichen Beraters, ein Wirtschaftsfachmann aus Schweinfurt, trennt sie sich jetzt von ihrem theologischen Leiter, Rektor Manuel Janz, der auf eine Pfarrstelle in Nordrhein-Westfalen wechselt. Und Ende 2015 schließt sie ihr Bad, das sie noch vor drei Jahren für 200 000 Euro saniert hat, das aber regelmäßig große Löcher ins Budget reißt.

Auf „mindestens 50 000 Euro“ beziffert die Vorsitzende des Verwaltungsrats, Schwester Elisabeth Schwert, das jährliche Defizit und klagt über steigende Energiekosten. Zudem sei eine neue Lüftungsanlage fällig. Kostenpunkt: 100 000 Euro oder mehr.

Schwert zeigt sich ebenso betrübt über das Aus wie der Inhaber der Physiotherapie-Praxis, der eine Pachterhöhung nach eigenem Bekunden nur mit der Folge explodierender Kursgebühren hätte zahlen können. Ralf Langhammer, der auch in der Immobilienbranche tätig ist, will seine Praxis nun langjährigen Mitarbeitern übergeben. Deren Zukunft wäre dann gesichert. Branko Radina aber sucht einen Job — und hofft unterdessen auch auf kleine Wunder wie die Gründung eines Fördervereins oder einen finanzstarken Gönner für das Bad in Puschendorf.

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