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Rätsel-Auflösung: Schaut ganz nach Krise aus

Matthias Boll

Lokalredaktion Fürth

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28.10.2023, 17:27 Uhr
Lächle an einem anderen Tag: Er und sie haben Wichtigeres zu tun, das aber mit reichlich Eleganz und Stil. Wagen 230 wirkt deutlich klobiger.

© Stadtarchiv Fürth/NL 71-898 Lächle an einem anderen Tag: Er und sie haben Wichtigeres zu tun, das aber mit reichlich Eleganz und Stil. Wagen 230 wirkt deutlich klobiger.

Ein Paar läuft über einen Platz, von rechts grüßt eine Straßenbahn. Bahn, Kleidung, Häuser, alles deutet auf die zwanziger Jahre hin. Doch zu 100 Prozent einig waren sich die Rätselknacker in der Frage der Örtlichkeit nicht.

"Man erkennt im Hintergrund das Nassauer Haus, aufgenommen wurde das Bild auf dem Lorenzer Platz, rechts steht die Lorenzkirche." Und das könnte auf den ersten Blick tatsächlich stimmen. Es stimmt aber nicht.

Zweifelsfrei ist das nicht allzu blendend gelaunte Paar auf dem Kohlenmarkt, also in Fürth, unterwegs. Die Südseite des Rathauses dominiert die Bildmitte, daneben ist das (1995 abgerissene) Café Fürst. Hinter dem Paar liegt die Sternstraße (heute: Ludwig-Erhard-Straße), links ist ein kleiner Teil des Kaufhauses Tietz zu sehen.

Aber jetzt wird’s noch etwas kniffliger, wir fragten nämlich nach den beiden Haltestellen, zwischen denen die Straßenbahn unterwegs ist. Und natürlich auch, ob sich aus dem Bautyp des Wagens der Entstehungszeitpunkt der Aufnahme schlussfolgern oder eingrenzen ließe. Unschwer zu erkennen ist, dass es sich um Wagen 230 handelt. Die 200er-Triebwagenreihe wurde zwischen 1904 und 1906 gebaut, nach der Weltwirtschaftskrise 1929 befiehlt der Sparzwang eine simplere Lackierung. Auf unserem Bild sind jedoch noch die originalen Jugendstil-Zierlinien zu erkennen, darauf weist Leser Walter Zick hin.

Die Linie, die hier unterwegs ist, ist die Linie 1, sie kommt vom Grünen Markt und fährt in Richtung Nürnberg zwischen den Haltestellen Brandenburger Straße (vor dem Rathaus) und Mathildenstraße (dort, wo heute der Drogeriemarkt Müller residiert und früher eine Kaufhalle war). Den Halt Brandenburger Straße gab es ab 1928, 1955 wurde er in die Königstraße verlegt.

Nun kommen wieder die Jugendstil-Zierlinien und die Weltwirtschaftskrise ins Spiel. Demzufolge muss das Foto 1928 entstanden sein – oder, um etwas Spielraum bis zur Billig-Neulackierung zu geben, zwischen 1928 und 1933. Mit Blick auf die Mode des Paares eher 1928/29.

Und geht das Paar, wie wir mit Blick auf ihr Etuitäschchen vermuteten, ins Stadttheater? Das, schreibt Konrad Rösch, sei fraglich, "denn die beiden werfen einen deutlichen Schatten, der recht zentral fällt. Die Sonne stand also hoch im Süden, ich tippe auf Mittag/früher Nachmittag". Also wäre auch das geklärt.

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